Subtil gewalttätig

Fotoausstellung „Sutil violento“ im Centro Cultural Recoleta

Von Katharina Guderian

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„Caracas sangrante“ des Venezolaners Nelson Garrido.
(Foto: Katharina Guderian)

Etwas betrübt und schwermütig verlässt der Besucher die Fotoausstellung im Saal J des Centro Cultural Recoleta. Er hat einen Kloß im Hals und kann sich nicht sofort in die fröhlich plaudernde Menge vor der Tür mischen. Doch die Ausstellung hat genau das erreicht, was sie will: Die Augen öffnen – und vor allem das Gefühl – für die alltägliche Gewalt.

Unter dem Titel „Sutil Violento“ wurde am vergangenen Freitag eine Fotokollektion lateinamerikanischer Künstler im Centro Cultural Recoleta eröffnet. „Wir wollen mit dieser Ausstellung explizit nicht die Gewalt im traditionellen Sinn zeigen, sondern mittelbar – subtil eben“, erklärt der Kurator der Ausstellung Iata Cannabrava. So geht es eben nicht nur um physische, sondern insbesondere auch psychische Gewalt, die den Menschen widerfährt oder die sie sich sogar selbst antun. Die etwa 50 Fotografien der Künstler zeigen mögliche Ursachen, Konsequenzen und Formen der Gewalt in Lateinamerika, wie Armut, Kolonialisierung, Vermassung, Konsum, soziale Differenzen, Frustration, Melancholie, ja sogar Überdruss.

Die verschiedenen für die Ausstellung ausgewählten Werke der Fotografen gehen auf sehr unterschiedliche Weise an das Thema heran. Die eindrucksvollen Vorher-Nachher-Porträts des argentinischen Künstlers RES präsentieren die Gewalt scheinbar zunächst sehr offensichtlich. Sie zeigen einen Herzchirurgen vor und nach einer Operation, einen Boxer vor und nach einem Kampf und einen Normalbürger vor und nach einem tätlichen Übergriff. Das Blut, die geschwollenen Augen und die Blutergüsse sprechen eine deutliche Sprache. Doch die Fotos sagen noch viel mehr. In den Augen, der Haltung und der Mimik der Porträtierten lässt sich ein breites Gefühlsspektrum ablesen, das die „Gewalt“ in den Menschen ausgelöst hat.

Die Bilderreihe von Daniela Edburg (Mexiko) persifliert in ästhetisch inszenierten Porträts den größten Feind unserer Zeit, dem wir doch immer wieder die Tür öffnen: den Konsum. Ihr „Tod durch Zuckerwatte“ zum Beispiel ist durch die Farbwahl und Komposition ein sehr schön anzuschauendes Bild, gleichzeitig eine herrlich ironische Darstellung des idyllischen Zuckerwattenhimmels auf Beutefang.

In ihrer Porträtserie zeigt Ananké Asseff aus Argentinien Menschen mit ihren Waffen. In Kombination mit auf einer Tafel festgehaltenen Zitaten lassen die Bilder dem Betrachter einen Schauer von Unbehagen über den Rücken laufen.

Besonders bedrückend ist die Kinderfotoserie von Rachelle Mozman aus Panama. Sie trifft den Titel der Ausstellung wohl am besten. Äußerst adrette, wohlbehütete Kinder posieren in ihrem offensichtlich wohlhabenden Zuhause. Doch ihnen ist kein Funke von kindlicher Fröhlichkeit oder ungebändigtem Spieltrieb anzusehen. Sie wirken so leblos wie Porzellanpuppen. Es bleibt die Frage, welche Gewalt diesen Kinderseelen wohl ihre Lebensfreude geraubt hat.

  • Bis zum 31. August im Centro Cultural Recoleta, Junín 1930. Di-Fr 14-21, Sa, So und feiertags 10-21 Uhr. Eintritt 1 Peso. Am 7. August werden hier 16 weitere Foto-Ausstellungen im Rahmen des „Festival de la Luz 2008“ eröffnet. Infos hier.

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