“Zwei lange Unterhosen der Marke Hering”

Lesung und Gespräch mit Ariel Magnus im Goethe-Institut

maximiliano_luna_telamBei einer Lesung mit anschließendem Gespräch am Donnerstag, dem 7. August, um 19 Uhr, in der Bibliothek des Goethe-Instituts Buenos Aires (Av. Corrientes 343) spricht der argentinische Autor Ariel Magnus mit Silvie Rundel (Die Zeit) und Andrea Bélafi (Goethe-Institut) unter der Moderation von Carla Imbrogno (Goethe-Institut). Der Eintritt ist frei.

Ariel Magnus dokumentiert in seiner bewegenden Familienchronik, die im Originaltitel “La abuela” heißt, das Leben seiner Großmutter, einer jüdischen Immigrantin, die 1946 aus Auschwitz fliehen konnte und nach Brasilien emigrierte. In der deutschen Übersetzung erschien das Buch unter dem kuriosen Titel “Zwei lange Unterhosen der Marke Hering”. “Ariel Magnus […] liefert mit ‚Zwei lange Unterhosen der Marke Hering‘ ein äußerst unkonventionelles Erinnerungsbuch einer Holocaust-Überlebenden.” So schrieb die Jüdische Zeitung über “La abuela”, das Buch, das Kiepenheuer & Witsch in deutscher Übersetzung von Silke Kleemann veröffentlichte.

Die Buchkritiken haben nicht mit Lob gespart. Eine der Rezensionen hebt besonders die Einstellung des Autors hervor, der folgende Anmerkung in seinem Vorwort angibt: “Es gibt reichlich Literatur von den und über die Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtungslager. Dieses Buch ist nicht aus dieser Literatur hervorgegangen und möchte ihr auch kein weiteres Werk hinzufügen. Ich habe nicht vor, über den Holocaust zu reflektieren oder für die Annalen die Geschichte einer weiteren Überlebenden zu erzählen. Stattdessen geht es um eine Großmutter und ihren Enkel, in diesem Fall um meine Oma (die Auschwitz überlebt hat) und um mich (der ich manchmal über Dinge reflektiere, von denen ich wenig Ahnung habe).”

In der Originalfassung auf Spanisch gibt Ariel Magnus einen Bericht seiner Oma wider, in dem sie ihm, gespickt mit Sätzen auf Deutsch und Portugiesisch, auf chaotische Weise erzählt, wie sie sich mit 22 Jahren auf der Suche nach ihrer blinden Mutter freiwillig ins Konzentrationslager Theresienstadt deportieren ließ, ihr später nach Auschwitz folgte, um anschließend wie durch ein Wunder in Bergen-Belsen freigelassen zu werden und über Schweden in Porto Alegre, Brasilien, zu landen, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2013 gelebt hat.

Die Eigentümlichkeit dieser Reportage stellt in Bezug auf die Übersetzung in eine Metasprache, die im Original sowohl kulturell, historisch als auch wörtlich vorkommt, eine Herausforderung dar. In der spanischen Originalfassung sind die Textstellen, in denen die Oma spricht, Übersetzungen (des Autors) aus dem Deutschen und Portugiesischen ins Spanische. Die deutsche Fassung erforderte daher, auf die Quellen zurückzugreifen, d.h. auf die Kassetten mit den ungeordneten Aufnahmen. Die Änderung des Buchtitels wurde vom Verlag entschieden und greift das Bild eines wiederholten Geschenks der Oma an ihren Enkel auf. Immer wieder schenkte sie ihm zwei lange Unterhosen der Marke Hering.

Über die Form der Erzählung erklärt der Autor: “Meine Oma zu porträtieren, heißt nicht nur, ihre Geschichte zu erzählen, sondern vor allem, die Art und Weise abzubilden, wie sie diese Geschichte erzählt. Daher geben die zeugnishaften Kapitel, deren Grundlage ein ebenso ausgedehntes wie schwieriges Interview im südlichen Sommer 2002 war, ihre Sprechweise so getreu wie möglich wider und auch ihre Art, die Informationen zu ordnen oder eher durcheinanderzubringen. Auch wenn ihre Erzählung zu Beginn etwas verwirren mag, lässt sich die Stimme meiner Oma nur so in ihrer ganzen Vitalität übermitteln, die sie auf gewisse Weise vor dem sicheren Tod rettete.”

Der Autor erzählt aber nicht nur von der Vergangenheit, sondern auch von der Gegenwart: “Ich erzähle also von der Gegenwart einer Person, von der vermeintlich nur die Vergangenheit interessant ist. Dabei bewegt mich in erster Linie die literarische Intuition, dass meine Oma eine bemerkenswerte Figur ist, und außerdem der journalistische Instinkt, dass die seltsame Beziehung, die sie noch immer zum Land ihrer Henker unterhält, viel über diese schreckliche Vergangenheit sagt, die sie lieber vergessen würde und die ich hier rekonstruieren möchte.”

Ariel Magnus, geboren 1975 in Buenos Aires. Studium in Deutschland, schrieb für verschiedene Medien in Lateinamerika, die taz in Berlin und Spiegel Online und lebt heute als Autor und literarischer Übersetzer in Buenos Aires. Er hat bislang elf Bücher veröffentlicht. 2007 wurde er für seinen Roman “Ein Chinese auf dem Fahrrad” mit dem internationalen Literaturpreis Premio La otra Orilla ausgezeichnet. Das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2010 erschien es auf Deutsch bei Kiepenheuer & Witsch. “Zwei lange Unterhosen der Marke Hering” erschien 2012 ebenfalls bei KiWi.

Foto:
Ariel Magnus.
(Foto: Maximiliano Luna)

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