Neuer Ort des Gedenkens

Anne Frank-Statue in Buenos Aires enthüllt

Von Paul Bochtler

Anne_Frank
“Aber, und das ist die große Frage, werde ich jemals etwas Großes schreiben können, werde ich jemals Journalistin und Schriftstellerin werden?”, ist einer der vielzitierten Sätze aus dem Tagebuch der Anne Frank, denn er beschreibt treffend nicht nur die Tragik, sondern auch die unerschöpfliche Hoffnung, die uns alle so sehr bewegt, wenn wir das Buch lesen. Heute gehört das Tagebuch zur Weltliteratur, ist eines der meistverkauften Bücher auf der Erde und eine der wohl bekanntesten Dokumentationen der Shoá.

Doch Anne Frank hat mehr getan, als nur den Terror um sie herum zu beschreiben – sie beschrieb das “normale”“ Leben eines dreizehnjährigen Mädchens und ganz nebenher über Ideale, Identität und Träume von einer besseren Welt.

Als Otto Frank 1945 das Tagebuch seiner ermordeten Tochter in der Hand hält, fängt auch er an, von einem Ort zu träumen, wo sich Jugendliche treffen, austauschen und etwas lernen können. In jahrelanger Arbeit entsteht so das “Anne Frank Haus” in Holland und später dann auf Initiative von Héctor Shalom und anderen, das “Centro Ana Frank Argentina”.

Eine der Personen, die Otto Frank auf diesem langen Weg begleitet haben, Rabbi Awraham Soetendorp, war an 10. Dezember in Buenos Aires zu Besuch, um zusammen mit dem Centro Ana Frank Argentina (CAFA) die Anne Frank-Statue einzuweihen, die nun ihren Platz in Puerto Madero auf der Plaza Reina de Holanda gefunden hat.

Er erzählte sehr emotional, wie er selbst als Baby vom Widerstand in Holland vor den Nationalsozialisten gerettet wurde. So sei diese Statue nicht nur eine Statue von Anne Frank, sondern eine Statue zum Gedenken an alle 1,5 Millionen Kinder, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, zum Gedenken an alle, die ihre Träume nie selbst verwirklichen konnten, erklärte er.

“Sie repräsentiert den Wert der Jugend”, betonte Bildungsminister Alberto Sileoni in seiner Rede und bestärkte den Direktor des Anne Frank Zentrums in seiner Arbeit mit Schulgruppen.

Die Enthüllung der Statue ist für das CAFA ein Meilenstein. Seit der Gründung 2009 haben Abertausende von Schülern in Argentinien nicht nur eine der verschiedenen Ausstellungen besucht, sondern auch an einem der Bildungsprojekte teilgenommen, die das CAFA im ganzen Land realisiert.

Dabei versucht das Zentrum nicht nur eine Geschichte zu erzählen, dem Schrecken der Shoá ein Gesicht zu geben, sondern auch einen Bezug zur Realität des Besuchers herzustellen. Wie der Rabbi in einem anderen Moment erwähnte: “Wer einen Marathon laufen will, trainiert nicht nur drei Stunden im Jahr, und genauso ist es mit Liebe und dem Widerstand gegen das Übel in der Welt, man braucht Übung.”

Das CAFA hier in Argentinien ist ein Ort, wo Schüler eine Chance bekommen, sich in Mitgefühl und aktiver Teilnahme zu üben und auch die jüngere Vergangenheit ihres Heimatlandes näher kennenzulernen.

“Es gibt einen Ort in Buenos Aires, den für einige Zeit die ganze Welt in ihrem Herzen getragen hat – Plaza de Mayo”, sprach der Rabbi zu Rosita von den Abuelas de Plaza de Mayo und sprach aus, was viele dachten, denn die Verbindung zwischen dem Mädchen, das im Versteck auf die Suche nach ihrer Identität ging und den vielen, die in Argentinien immer noch ihre Identität suchen, ist immanent.

Die Anne Frank-Statue in Buenos Aires ist ein weiterer Bezugspunkt für diejenigen, die in Anne Frank eine Person finden, die ihnen Raum zur Selbstreflexion, einen Ort zum Gedenken und Luft zum Atmen gibt.

“Wie herrlich ist es, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu verändern! […] Öffne die Augen, sei selbst gerecht! Gib selbst, was zu geben ist! Und immer, immer ist etwas zu geben, selbst wenn es nur Freundlichkeit ist! Wenn alle Letzteres geben würden und mit freundlichen Worten nicht so geizig wären, dann würde viel mehr Liebe und Gerechtigkeit in die Welt kommen!”
Anne Frank -26. März 1944

Foto:
Rabbi Awraham Soetendorp (li.), eine der Großmütter der Plaza de Mayo und der Botschafter der Niederlande (re.) kurz nach der Enthüllung der Statue.

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