Deutsch-argentinische Wahlverwandtschaften

Filmreihe REVOLVER Buenos Aires vom 11. bis 21. Juni im Lugones-Saal

revolver_jesusAuf Einladung des Goethe-Instituts Buenos Aires lassen sich die deutsche Filmzeitschrift Revolver und das Programmkino Leopoldo Lugones (Av. Corrientes 1530) auf einen filmischen Austausch ein, der deutsche und argentinische Filme der letzten 30 Jahre in Dialog zueinander stellt. Zehn Filmpaare mit unveröffentlichten bzw. wenig bekannten Filmen aus beiden Ländern geben den Blick frei auf Spannungen und Konflikte zwischen Modernität und Filmgedächtnis, auf narrative und visuelle Konstanten, die über länderspezifische historische oder kulturelle Gegebenheiten hinausgehen. Der deutsche Filmemacher und Kurator Franz Müller wird die Filmreihe persönlich eröffnen und den Dialog mit den argentinischen Regisseuren aufnehmen. Der Eintritt kostet 25 Pesos.

Die Filmreihe “REVOLVER Buenos Aires. Deutsch-argentinische Film-Wahlverwandtschaften” präsentiert eine Auswahl von Filmen, die untereinander einen scharfsinnigen und gleichzeitig spielerischen Dialog aufnehmen, sich zum Teil widersprechen, zum Teil fortsetzen, die sich gegenseitig ins Wort fallen oder einen gemeinsamen Kanon singen. Das Programm besteht aus Filmen, die ab den 90er Jahren produziert wurden, eine Zeit wichtiger Veränderungen in beiden Ländern.

In Argentinien entstand ein neues, von den wiedergewonnenen Freiheiten nach der Rückkehr der Demokratie inspiriertes Kino, aber auch eine junge Generation von Filmemachern, die in neugegründeten Filmhochschulen einen radikalen Wechsel in der Auffassung und Produktionsform anstrebten. In Deutschland wurde der Tod Rainer Werner Fassbinders gemeinhin mit dem Ende des Neuen Deutschen Films gleichgesetzt. Das Privatfernsehen setzte sich durch und Autorenfilmer hatten immer größere Schwierigkeiten, ihre Filme zu finanzieren: triviale Komödien waren auf dem Vormarsch.

Es waren also neue Utopien gefragt, in Argentinien die eines neuen und freieren Kinos; in Deutschland eine Alternative zu einem Kino der (Fernseh-)Großproduktionen. Ein Kino im Aufbruch trifft also auf ein Kino, das sich in einer herben Krise befand. Wie entwickelten sich in der Folge die beiden Kinematographien? Welche ästhetischen, politischen und sozialen Kräfte enstanden daraus?

Diese und andere Fragen erörtert die Filmreihe, die von Hannes Brühwiler und Franz Müller (von der deutschen Filmzeitschrift Revolver) zusammen mit Luciano Monteagudo (Kurator des Programmkinos Leopoldo Lugones) und Inge Stache (Kuratorin der Filmarbeit des Goethe-Instituts) zusammengestellt wurde. Franz Müller wird die Reihe persönlich vorstellen und den Dialog mit den argentinischen Filmemachern eröffnen. Eine Reihe von Gesprächen mit argentinischen Filmschaffenden ergänzt die Vorführungen.

Programm

  • Donnerstag, 11. Juni
    revolver_fangoFango – Argentinien 2012. 105 Min. Regie: José Celestino Campusano. Mit Nadia Batista, Oscar Génova, Claudio Miño.
    Brujo und Indio sind zwei Heavy Metal-Musiker aus einem Vorort von Buenos Aires, die eine Trash-Tango-Band gründen wollen. Während sie dafür weitere Musiker suchen, braut sich um sie herum eine Atmosphäre zusammen, in der sich Lieblosigkeit und Tod, Messer und hausgemachte Waffen vermischen.
    Jesus Christus Erlöser – Deutschland 2008. 84 Min. Regie: Peter Geyer.
    Am 20. November 1971 möchte Klaus Kinski die “erregendste Geschichte der Menschheit” erzählen – das Leben von Jesus Christus. Doch er kommt nicht dazu. Das Bühnenprogramm des skandalumwitterten Schauspielers wird durch Zwischenrufe unterbrochen – von einem Publikum, das sich keine Predigt anhören, sondern diskutieren will. Wir sehen das Ringen eines Schauspielers um seinen Text und das grandiose Scheitern einer literarischen Weltverbesserungsmaßnahme.
  • Freitag, 12. Juni
    La vida por Perón – Argentinien 2004. 87 Min. Regie: Sergio Bellotti. Mit Belén Blanco, Cristina Banegas, Esteban Lamothe.
    Am Todestag von Juan Domingo Perón erfährt der Soldat Alfredo Álvarez, dass sein Vater gestorben ist. Während der Totenwache des Vaters, Don Pedro Ignacio Álvarez, werden Alfredo und seine Familie zu Gefangenen einer linksperonistischen Organisation, die als Teil eines verrückten Versuchs die Macht zu ergreifen plant, die Leiche zu benutzen, um damit die Leiche des General Perón zu ersetzen.
    Sie haben Knut – Deutschland 2003. 107 Min. Regie: Stefan Krohmer. Mit Hans-Jochen Wagner, Alexandra Neldel.
    Das Bild der BRD Anfang der 80er Jahre, das Stefan Krohmer in diesem tragisch-komischen Film zeichnet, könnte nicht authentischer sein. Eine Gruppe engagierter Pazifisten in selbstgestrickten Pullovern mit einer klaren politischen Haltung, die weder Zweifel noch Widersprüche dulden, treffen in einer Tiroler Skihütte unerwartet auf Ingo und Nadja, die gerade versuchen, ihre eingefahrene Beziehung wiederzubeleben.
  • Samstag, 13. Juni
    Fantasma – Argentinien/Frankreich/Holland 2006. 63 Min. Regie: Lisandro Alonso. Mit Argentino Vargas, Misael Saavedra, Carlos Landini.
    Der 56-jährige Argentino Vargas kommt nach Buenos Aires. Er steht in der Eingangshalle des Theaters San Martín und wartet, bis ihn jemand zur Vorstellung eines Films im 10. Stock des Hauses begleitet, in dem er die Hauptrolle spielt.
    Winter Adé – Deutschland 1987/1988. 115 Min. Regie: Helke Misselwitz.
    Ein Jahr vor dem Zusammenbruch der DDR begibt sich die Regisseurin Helke Misselwitz auf eine Reise durchs Land und befragt Frauen verschiedenster Altersklassen und gesellschaftlicher Herkunft zu deren Lebenssituation. Sie trifft ihre Protagonistinnen in alltäglichen Situationen und zu besonderen Anlässen. Selbstverständlich und offen sprechen die Frauen über ihr Leben in der DDR, über ihre Sorgen, ihren Alltag und die Hoffnung auf eine menschliche Zukunft.
  • Sonntag, 14. Juni
    Balnearios – Argentinien 2002. 80 Min. Regie: Mariano Llinás. Mit den Stimmen von Verónica Llinás, Mario Mactas, Alejandro Zucco.
    Enzyklopädie der Sitten und Gebräuche der argentinischen Strandorte. Versunkene Städte, Strandwächter, ein Hotel, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, Seejungfern, Waffelverkäufer, Dämme, Meerestiere und Sandburgen treffen sich in einem abwechslungsreichen und verblüffenden Film.
    Leben BRD – Deutschland, 1990. 83 Min. Regie: Harun Farocki.
    Wo man auch hinschaut, scheinen die Personen Darsteller ihrer selbst zu sein. Ein Film über das Theater des Lebens ausgehend von Trainingskursen jeglicher Art. Menschenkörper agieren wie Maschinen oder schließen sich an Maschinen an, während Puppen und Gestelle anstelle von Menschen proben. Ob Autoschlüssel, Waschmaschinen, Hebammen, Fahrschüler oder Versicherungsvetreter, beim Militär oder bei Rollenlernspielen, bei allen ist die unendliche Anstrengung zu spüren, sich auf den Notfall der “Wirklichkeit” vorzubereiten.
  • Montag, 15. Juni
    Bolivia – Argentinien/Holland 2001. 75 Min. Regie: Israel Adrián Caetano. Mit Freddy Flores, Rosa Sánchez, Oscar Bertea.
    Freddy ist ein bolivianischer Einwanderer, der in Buenos Aires lebt. Bei seiner neuen Arbeit als Grillkoch in einer Bar in Sán Cristóbal lernt er Rosa, eine paraguayische Einwanderin, kennen. Beide erleben auf verschiedene Art und Weise die Fremdenfeindlichkeit der Einwohner von Buenos Aires.
    Der Wald vor lauter Bäumen – Deutschland 2003. 81 Min. Regie: Maren Ade. Mit Eva Löbau, Tina Schaffner, Thorsten Rehm.
    Die Junglehrerin Melanie Pröschle aus der schwäbischen Provinz tritt nach dem Referendariat ihre erste Stelle an einer Karlsruher Realschule an. Voller Tatendrang zieht sie in die neue Stadt, doch es ist schwieriger als erwartet, das Vertrauen der Schüler und Lehrerkollegen zu erobern oder neue Freunde zu gewinnen.
  • Dienstag, 16. Juni
    La niña santa – Argentinien/Italien/Holland/Spanien 2004. 106 Min. Regie: Lucrecia Martel. Mit Mercedes Morán, Carlos Belloso, Alejandro Urdapilleta, María Alche.
    Amalia lebt mit ihrer Mutter Helena und ihrem Onkel Freddy in dem Thermalbad-Hotel Termas, das ihrer Familie gehört. Mitten in einer Menschenmenge berührt sie ein Mann sexuell von hinten. Später im Hotel entdeckt sie, dass dieser Mann Dr. Jano ist, ein angesehener Halsnasenohrenarzt. Amalia kündigt ihrer Freundin Josefina an, dass sie jetzt eine Mission hat: Einen einsamen Mann zu retten.
    Totem – Deutschland 2011. 86 Min. Regie: Jessica Krummacher. Mit Marina Frenk, Natja Brunckhorst, Benno Ifland.
    In einer Stadt im Ruhrgebiet beginnt die junge Fiona als Haushaltshilfe bei der Familie Bauer zu arbeiten. Vater, Mutter, Tochter, Sohn leben für sich, Kommunikation untereinander findet nicht statt. Fiona soll aufräumen, die Kinder versorgen und das Haus sauber halten. Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Langsam gerät etwas aus den Fugen und ein leiser Horror schleicht sich ein. Warum beginnt Frau Bauer plötzlich zu weinen? Was macht Fiona mitten in der Nacht mit dem Baby auf der Landstraße? Totem ist ein alltäglicher Horrorfilm, den eine Art Störgeräusch durchzieht, das keiner hört, Schatten, die keiner sieht. Nur das Kino.
  • Mittwoch, 17. Juni
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    Tan de repente – Argentinien/Holland 2002. 90 Min. Regie: Diego Lerman. Mit Carla Crespo, Verónica Hassan, Tatiana Saphir.
    Marcia ist ein junges, dickliches Mädchen, das Damenwäsche verkauft und ein graues und routinemäßiges Leben in Buenos Aires führt. Mao und Lenin sind zwei Punkmädchen, die auf Marcia treffen und ihr unbedingt ihre Liebe zeigen wollen. Von diesem Augenblick an unternehmen die drei Frauen eine unerwartete Reise zu einem unbekannten Ort.
    Mein Stern – Österreich/Deutschland 2001. 62 Min. Regie: Valeska Grisebach. Mit Nicole Gläser, Christopher Schöps.
    Eine Liebesgeschichte. Ein Junge und ein Mädchen. Sie stürzen sich in das Abenteuer des Zusammenlebens. Nicole ist fünfzehn und von der Vorahnung erfüllt, dass in ihrem Leben bald etwas passieren wird. Nun lernt sie den gleichaltrigen Christopher kennen, einen der Helden vom Hinterhof. Sie werden ein Paar. Es trifft sich gut, dass Nicoles Mutter vertretungsweise Nachtschichten übernommen hat. Nach dem Vorbild der Erwachsenen versuchen sie, ihre Bilder von der Liebe zu verwirklichen. Aber das ist alles nicht so einfach.
  • Donnerstag, 18. Juni
    Tierra de los padres – Argentinien 2011. 100 Min. Regie: Nicolás Prividera. Mit Felix Bruzzone, José Campusano, Lucía Cedrón.
    Zwei Versionen der Geschichte, die der Gewinner und die der Verlierer, die an einem konkreten und gleichzeitig symbolischen Ort konfrontiert werden: in Recoleta, dem ältesten und bürgerlichsten Friedhof von Buenos Aires.
    The Halfmoon Files – Deutschland 2007. 97 Min. Regie: Philip Scheffner.
    The Halfmoon Files ist eine audiovisuelle Recherche zur Verflechtung von Politik, Kolonialismus, Wissenschaft und Medien – ausgehend von Bild- und Tondokumenten indischer und nordafrikanischer Kriegsgefangener aus dem «Halbmondlager» bei Berlin zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Ein Film über Lücken, Auslassungen und die Konstruktion von Geschichte. Ein Film dessen Protagonisten meist nicht sichtbar sind – deren Anwesenheit jedoch spürbar wird. Anders gesagt: eine Geistergeschichte.
  • Freitag, 19. Juni
    Rapado – Argentinien/Holland 1992. 75 Min. Regie: Martín Rejtman. Mit Ezequiel Cavia, Damián Dreizik, Mirta Busnelli.
    Ein Teenager beginnt sein Leben zu ändern, nachdem ihm sein Motorrad, Geld und Turnschuhe gestohlen wurden. Von diesem Augenblick an rasiert er sich den Kopf kahl und wird von der Idee besessen, ein ähnliches Motorrad zu stehlen. Seine Versuche diesen Diebstahl auszuführen, führen ihn zu Begegnungen, die in verschiedene Richtungen gehen und sich auf unerwartete und verwickelte Art und Weise verflechten.
    Alle Zeit der Welt – Deutschland 1998. 93 Min. Regie: Matl Findel. Mit José van der Schoot, Ivana Broukova, Ruth Vaughn, Matthew Burton, Jockel Tschiersch.
    Matthew braucht eine Frau und Lilith sucht einen Sponsoren für ihre Ein-Frau-Expedition in die mongolische Wüste. Zu dieser unpassenden Kombination stoßen der unheilbar kranke Anton, die Künstlerin Toost und Radka, die versucht, sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen. Die fünf Handlungsstränge berühren sich, kreuzen einander und für Augenblicke entsteht im Chaos des Alltags so etwas wie eine Welt der Harmonie.
  • Sonntag, 21. Juni
    Viola – Argentinien/USA 2012. 65 Min. Regie: Matías Piñeiro. Mit María Villar, Agustina Muñoz, Elisa Carricajo.
    Cecilia ist täglich damit beschäftigt, Shakespeares Komödie Die zwölfte Nacht einzuüben, während Viola ihre Tage damit verbringt, raubkopierte Filme mit dem Fahrrad auszuteilen. Zwischen verschiedenen Theorien des Begehrens, zwischen Träumen, Versen und Fiktionen in einer Welt von Shakespeare-Frauen, finden die Rätsel zwar keine Lösung, aber die Liebe geht unaufhaltsam um.
    Die Freunde der Freunde – Deutschland 2002. 89 Min. Regie: Dominik Graf. Nach Motiven aus The friends of the friends, von Henry James, 1896. Mit Matthias Schweighöfer, Sabine Timoteo, Florian Stetter, Jessica Schwarz.
    Gregor ist Gymnasiast in und glaubt an die Liebe. Als er Billie kennenlernt, verliebt er sich sofort und weiß, dass sie die Person ist, nach der er gesucht hat. Gleichzeitig entdeckt er, dass sein bester Freund, Arthur, in irgendeiner Form mit Billie verbunden ist. Aus der Angst heraus, dass die beiden füreinander bestimmt sein könnten, versucht er mit allen Mitteln, ein Treffen zwischen den beiden zu verhindern.

Gespräche

  • 11.6., 19.30 Uhr: Gespräch über Fango + Jesus Christus Erlöser. Mit Franz Müller und José Campusano. Moderation: Cecilia Barrionuevo.
  • 12.6., 19.30 Uhr: Gespräch über La vida por Perón + Sie haben Knut. Mit Nicolás Prividera und Franz Müller. Moderation: Diego Brodersen.
  • 13.6., 19.30 Uhr: Gespräch über Fantasma + Winter Adé. Mit Lisandro Alonso und Franz Müller. Moderation: Luciano Monteagudo.
  • 14.6., 19.30 Uhr: Gespräch über Balnearios + Leben BRD. Mit Mariano Llinás und Franz Müller. Moderation: Luciano Monteagudo.
  • 18.6., 19.30 Uhr: Gespräch über Tierra de los padres + The Halfmoon Files. Mit Nicolás Prividera und Horario Bernades.

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