Kulturelles Zentrum in Moisés Ville

Theater “Kadima” wurde vom Parlament der Provinz Santa Fe zum “historischen und kulturellen Erbe” erklärt

Von Marcus Christoph

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Das Theater “Kadima” von Moisés Ville ist vor wenigen Tagen worden. Diese Anerkennung bedeutet finanzielle Unterstützung seitens der Provinzregierung für den Fall, dass Instandhaltungsarbeiten durchgeführt werden müssen.

Das Theater “Kadima”, was auf Deutsch “Vorwärts” bedeutet, wurde 1929 mit einem Konzert der russischen Sopranistin Rita Kitena eingeweiht. Seitdem hat sich das Theater, das an der Plaza San Martín gelegen ist, zu einem kulturellen Zentrum der Region entwickelt. Bekannt ist die Einrichtung auch wegen ihrer guten Akustik und der Bibliothek “Baron Hirsch”, die sich ebenfalls in dem Gebäude befindet. Dort kann man auch Bücher in Deutsch, Jiddisch und Hebräisch bekommen.

1945, nach der Niederlage Nazi-Deutschlands, gab es im Theater “Kadima” ein großes Fest, an dem viele der aus Polen und Deutschland geflüchteten Juden teilnahmen.
Moisés Ville wurde bereits 1889 von osteuropäischen Juden gegründet, die mit dem Dampfschiff “Weser” in Argentinien ankamen. Der Ort wurde zu einem Zentrum der “jüdischen Gauchos” in Santa Fe. 2014 konnte das 125-jährige Bestehen mit einem großen Fest gefeiert werden.

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Das imposante Theater “Kadima” in Moisés Ville.
(Foto: Marcus Christoph)

Hinter verschlossene Türen blicken

Neue Edition von OPEN HOUSE Buenos Aires

Von Michaela Ehammer

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Nach London, New York, Wien, Melbourne, Dublin und vielen weiteren Metropolen rund um den Globus heißt es am 3. und 4. Dezember bereits zum vierten Mal für 48 Stunden: OPEN HOUSE Buenos Aires. Ein kultureller Genuss und eine einzigartige Möglichkeit für alle Neugierigen sowie Liebhaber der Architektur, über 90 versteckte und der Öffentlichkeit sonst nicht zugängliche emblematische Gebäude in der Stadt zu betreten und von einer neuen Perspektive zu bestaunen. Es öffnen sich nicht nur Türen, sondern auch Herzen, und es erschließen sich Teile der Geschichte von Buenos Aires.

Unter den zu besichtigenden Gebäuden sind in diesem Jahr unter anderem das “Edificio Comega”, das Teatro Colón, der Palacio Barolo, die Casa Scout, das “Edificio Bencich” oder die Biblioteca Nacional. Erstmals in diesem Jahr öffnen auch neue Häuser ihre Pforten, wie der “Torre Espacial” des Parque de la Ciudad, die “Cooperativa Vaya” von Fermín Bereterbide (1895-1979), die Bubble Studios (Fotostudio von Gaby Herbstein) und der Polo Científico y Tecnológico (die ehemaligen “Bodegas Giol”). Vier weitere simultan stattfindende Aktivitäten – Open Bici, Open Foto, Open Muro sowie Camina Buenos Aires – runden das umfangreiche Angebot ab. Auch für Kinder wird jede Menge an Spaß und Unterhaltung geboten.

Das Projekt Open House wurde 1992 in London ins Leben gerufen und hat sich seither zu einem Besuchermagneten in über 30 Städten weltweit etabliert. CoHabitar Urbano, eine Gruppe junger Architekten, Musiker, Dozenten und Fotografen, hat dieses kulturelle Highlight in Argentiniens Hauptstadt eingeführt – bislang ist es die einzige Stadt in Lateinamerika, die Open House bietet.

Die Besichtigung der architektonischen Schönheiten ist bei freiem Eintritt von 10 bis 14 Uhr sowie von 15 bis 19 Uhr möglich – da die Kontingente jedoch begrenzt sind, ist es unabdingbar, sich unter vorher anzumelden. Reservierungen – seit dem 15. November – hier.

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Auch im kulturellen Zentrum der katalanischen Gemeinschaft, dem Casal de Catalunya, kann man einen Blick hinter die Kulissen werfen.
(Foto: Pablo Corral)

Wenn Orte sprechen

Die deutsche Dokumentaressayistin Juliane Henrich war bei 16. Internationalen Dokumentarfilmfestival “Doc Buenos Aires”

Von Ivana Forster

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Eine ganze Woche widmete sich das Doc Buenos Aires zum 16. Mal dem Besten, was das Dokumentarkino derzeit zu bieten hat. Vom 20. bis zum 27. Oktober lud das Filmfestival nationale und internationale Künstler ein, ihre Werke zu präsentieren und diskutieren. Unter ihnen auch zwei deutsche – eine davon ist die 1983 geborene Juliane Henrich, die vom Goethe-Institut Buenos Aires eingeladen wurde. Die Filmemacherin lebt und arbeitet in Berlin und beschäftigt sich in ihren Dokumentationen besonders mit öffentlichen und privaten Räumen und Architektur.

Ivana Forster: Sie haben in Leipzig und Berlin Literarisches Schreiben und Kunst und Medien studiert. Da ist der eingeschlagene Karriereweg nicht abwegig. Gab es trotzdem ein ausschlaggebendes Ereignis, das zu genau diesem Beruf führte?

Juliane Henrich: Nein, eigentlich nicht. Ich habe zuerst Literarisches Schreiben studiert. Man könnte das eine Kunsthochschule für das Schreiben nennen. Die Ausbildung gibt es in Deutschland nur in Leipzig und Hildesheim. Aber dort habe ich gemerkt: Ich will nicht nur schreiben, sondern auch etwas mit Bildern machen. Ich bin dann nach Berlin gegangen, um Kunst und Medien als Filmstudiengang zu studieren. Seitdem mache ich Filme. Aber Text ist immer noch eine wichtige Referenz.

IFO: Sie sind in Solingen geboren, in Bielefeld aufgewachsen und haben im Osten studiert. Wie hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

JH: In meinem Film “Aus westlichen Richtungen” geht es eigentlich um den alten Westen – mit Perspektive auf die Teilung. Es geht vor allem um Architektur in Westdeutschland, die ich als Kind kannte und wahrgenommen habe und die mir dann im Kontrast sehr stark aufgefallen ist, als ich in Leipzig gelebt habe und meine Eltern im Westen besucht habe. Dort herrschte ein ganz anderer Architekturstil vor. Ich dachte, ich muss irgendetwas über das Gefühl machen, das mit dieser Architektur zusammenhängt. Nach und nach kamen dann andere Ideen dazu. Dass es eigentlich auch um die politischen Hintergründe geht.

IFO: Sie sagten einmal, dass Ihre Filme davon handeln, wie Orte sich verändern und neu schreiben. Inwiefern hat ein Ort in Ihrer Auffassung ein Eigenleben?

JH: Das kann man sich auch fragen. Und ich glaube, darum geht es auch. Es gibt bestimmte Atmosphären, die vielleicht mit der Geschichte eines Ortes zusammenhängen. Aber was ich damit meinte, waren vor allem die Definitionen, die Menschen Orten zuschreiben. Etwa, dass man einem Ort einen Namen gibt. Es gibt einen Kurzfilm namens “Schleifen”, in dem es um Orte geht, die abgerissen und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. In dem Zusammenhang fand ich spannend, ob ein Ort der gleiche ist, weil er genauso heißt und die gleichen Leute dort wohnen. In anderen Arbeiten geht es auch darum, dass sich auch der Westen als Definition im Laufe der Zeit verschiebt. Dieser ursprüngliche goldene Westen, den man vielleicht einmal vom Osten aus bewundert hat, der inzwischen doch sehr heruntergekommen und überhaupt nicht mehr glamourös aussieht.

IFO: Inwiefern prägen sich Architektur, öffentlicher Raum und Gesellschaft gegenseitig?

JH: Das ist eine der großen Fragen, die ich mir mit den Filmen stelle. Ich kann nicht genau sagen, wie, aber es passiert definitiv. Dass Menschen sich vielleicht anders verhalten in bestimmten Räumen und dass vieles, was man sich ausgedacht hat für die Architektur, was sie eigentlich sein soll, beispielsweise in westdeutschen Städten oft nicht funktioniert hat. Es vermittelt eher den Eindruck von Kälte. Ich glaube, manche Leute sehen das als reine Kritik an dieser Architektur. Für mich ist es aber auch mit Nostalgie verbunden.

IFO: In Ihren Filmen sind oft sehr wenige Personen zu sehen. Was macht für Sie den Reiz daran aus, Filme mit wenigen Menschen und vielen Standbildern zu drehen?

JH: Ich glaube, ich persönlich finde diese Strukturen am interessantesten – architektonische Strukturen und diese Überschneidungen von Altem und Neuem, das im Stadtbild gebaut ist. Menschen ziehen natürlich wahnsinnig viel Aufmerksamkeit auf sich, wenn sie im Bild sind. Beispielsweise in “Aus westlichen Richtungen” geht es auch um diese Atmosphäre der Anonymität und dass man das gar nicht so sehr in Bezug zum Menschen setzt.

IFO: Was ist Ihnen bisher in Buenos Aires aufgefallen, was Architektur und öffentlichen Raum angeht? Wäre es reizvoll, hier einmal zu drehen?

JH: Auf jeden Fall. Ich kenne die Stadt noch nicht so gut, ich bin erst vor wenigen Tagen angekommen und ein wenig herumgelaufen. Aber ich achte immer sehr stark auf Architektur und Stellen, an denen man sich fragt, warum die Stadt so gebaut ist. Alles ist in diesem Schachbrettmuster angelegt, das finde ich sehr interessant. Eigentlich müsste man denken, man findet sich besser zurecht. Aber ich verlaufe mich eher. Vielleicht ist mein Gehirn darauf eingestellt, dass es Kurven gibt. Ein Projekt hier würde mich definitiv reizen.

Foto:
Die Dokumentaressayistin Juliane Henrich.
(Privat)

BAFICI: Interview mit Karl-Heinz Klopf

“Mir ist nie langweilig”

Von Michaela Ehammer

bafici_interview2Der in Linz geborene und in Wien lebende Künstler und Filmemacher Karl-Heinz Klopf ist mit gleich sechs Filmen im BAFICI 2016 vertreten. Einen Teil seiner Leidenschaft widmet Klopf der Architektur. Vor zwei Jahren wurde bei der 16. Ausgabe des BAFICI sein Film “Towerhouse” gezeigt. In diesem Jahr ist er jedoch das erste Mal persönlich vor Ort mit dabei: als gefeierter Regisseur und als Juror in der Kategorie “Argentinische Kurzfilme”. Seine Arbeiten beschreibt der Österreicher weniger als spontan, sondern vielmehr als nachhaltig. Weltberühmt war er nie, doch Klopf hat sich in der Branche nicht nur einen Namen gemacht, er etabliert sich auch als Künstler auf diesem Markt. Sein steter Begleiter: Eine große Portion Neugier.

Frage: Warum hast du diesen Beruf gewählt?

Karl-Heinz: Nach dem Studium bin ich in ein großes Loch gefallen und hab mir gedacht: Was mach ich jetzt? Künstlerisch angehaucht und die Leidenschaft zur Architektur ist dann eins ins andere geflossen. Ich habe mir gedacht, es wäre einmal interessant, Architektur vom künstlerischen Aspekt zu sehen. Da ich immer schon gerne und viel gereist bin, vor allem in Städten wie Tokio oder New York City, ist mein Beruf halt irgendwie so entstanden. Zu meinem Begeistern, denn langweilig ist mir nie (lacht).

Frage: Deine Hauptaugenmerke liegen auf Zeichnung, Video, Fotografie, Installationen und Projekten für Architektur und Urbanismus – wie würdest du dich selber bezeichnen?

Karl-Heinz: Ganz einfach als Künstler. Für mich ist in der Kunst nicht eine spezielle Richtung wichtig, ich setze meine Interessen in verschiedenen Medien um. Zeichnungen, Fotografien und Filme – das alles ist ja auch irgendwie miteinander verbunden.

Frage: In deinen Filmen spiegeln sich überwiegend Aspekte aus dem asiatischen Raum wider – warum?

Karl-Heinz: (schmunzelt): Die zeitgenössische sowie die alte Architektur von Japan, speziell von Tokio, interessieren mich schon seit langem. Ich glaube, da liegt die Zukunft der Architektur. Durch mein erworbenes Stipendium in Tokio bin ich dann auch sozial in diese Kultur eingetaucht. Wie die Menschen die Stadt benutzen, um auf engstem Raum zu leben, war einfach faszinierend für mich. So ist 1996 auch mein Film “Splace” entstanden.

Frage: Was zeichnet deine Architektur-Filme aus?

Karl-Heinz: Ich kenne viele Architekturfilme, aber die meisten langweilen mich ehrlich gesagt. Viele sind zwar aufschlussreich im Detail, aber das Künstlerische fehlt. In meinen Filmen versuche ich die Geschichten und Familien, die hinter dem Gebäude stehen, zu erfassen und aufzuzeigen. Vor meinem Studium an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz habe ich den Zweig Hochbau an der Höheren Technischen Lehranstalt besucht. Dies hat bestimmt auch Einfluss auf mein Gesehenes. Das Wichtigste für mich ist: Ein Film muss als Film interessieren.

Frage: Dein neuester Film “A Tropical House” feierte in Buenos Aires Weltpremiere – was fühlst du selber, wenn du mit anderen Leuten deinen Film im Kino siehst?

Karl-Heinz: Also den Film habe ich selber ja schon oft gesehen, aber es ist schon etwas ganz anderes natürlich, seinen Film in so großer Projektion mit Ton und so im Kino anzuschauen. In Österreich wird er dann am 23. April auf dem “Crossing Europe Film Festival” in Linz gezeigt

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Fotos von oben nach unten:

Karl-Heinz Klopf.

Eine Szene aus “A Tropical House”.

Ein Palast für die Kultur

“Centro Cultural Kirchner” in Buenos Aires eingeweiht

Von Marcus Christoph

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Personenkult auf Argentinisch: Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner weihte vor wenigen Tagen in Buenos Aires das größte Kulturzentrum Lateinamerikas ein, das den Namen der Präsidentenfamilie trägt. Das “Centro Cultural Kirchner” (Kirchner-Kulturzentrum) ist in den vergangenen sechs Jahren im umgestalteten ehemaligen Hauptpostamt entstanden. Auf einer Fläche von 116.000 Quadratmetern soll es ein Forum für Musik, Theater und Malerei sein. Es misst sich mit anderen großen Kulturzentren der Welt wie dem Centre Pompidou in Paris, dem Lincoln Center in New York, dem Barbican Centre in London oder dem Tokyo International Forum.

orgelHerzstück ist ein moderner Konzertsaal, der aufgrund seiner Form und Farbe “Ballena Azul” (Blauer Wal) genannt wird. Hier finden 1750 Zuschauer Platz. Der Raum wird dominiert von einer großen Orgel, die von der deutschen Firma Klais angefertigt wurde. In dem Saal wird das Nationale Symphonieorchester seinen Sitz haben. Ein weiterer Saal für Kammermusik mit einem Fassungsvermögen von 600 Personen befindet sich im Untergeschoss.

Architektonisch interessant ist auch der “Gran Lámpara” (Große Leuchte) genannte gläserne Bereich: Es handelt sich um eine Hängekonstruktion, die an der Decke befestigt ist und über dem großen Konzertsaal “schwebt”. Dort wird derzeit noch an Räumen gearbeitet, die für Kunstausstellungen aller Art genutzt werden können. Überhaupt wird auf vielen Etagen derzeit noch gebaut.

Insgesamt zählt das Kirchner-Kulturzentrum mehr als 40 Säle und Räume für verschiedenste kulturelle Zwecke. “Es gibt Kunst in allen Facetten”, erläuterte Kulturministerin Teresa Parodi. Alle Veranstaltungen seien für die Bürger kostenfrei, unterstrich die berühmte Sängerin. Denn: “Die Kultur gehört dem Volk.”

Die Idee zu dem Kulturzentrum stammt vom damaligen Präsidenten Néstor Kirchner, der vor gut zehn Jahren einen Wettbewerb zur Renovierung und Umgestaltung des monumentalen Gebäudes in Hafennähe initiierte. Damals stand der 1928 eingeweihte Bau bereits einige Jahre leer, da die Post ihn nicht mehr benötigte.

Es dauerte bis 2009, ehe der Wettbewerb abgeschlossen war und mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Ursprünglich war geplant, das entstehende Kulturzentrum anlässlich der 200 Jahr-Feier Argentiniens im Jahr 2010 “Centro Cultural del Bicentenario” zu nennen. Doch 2012 beschloss der Kongress, dem Komplex den Namen des zwei Jahre zuvor verstorbenen Néstor Kirchner zu geben.

k-saalDem Namensgeber ist auch ein eigener Raum gewidmet, in dem persönliche Erinnerungen an den Ex-Präsidenten sowie ein Landschaftspanorama aus Kirchners patagonischer Heimat zu sehen sind. Gekrönt wird das Gebäude von einer Glaskuppel, von der aus man einen beeindruckenden Blick über das Hafenviertel und den Río de la Plata hat.

Die Kosten für das Kulturzentrum betrugen nach Angaben von Planungsminister Julio de Vido 2,1 Milliarden Pesos. Das Projekt zeige, welche Bedeutung die Kultur im zurückliegenden Jahrzehnt gewonnen habe, so der Minister. Ziel sei es, dass das Gebäude jeden Tag voller Menschen sei. Der Kulturpalast sei für das ganze Volk bestimmt, meinte De Vido, der ein langjähriger politischer Weggefährte der Kirchners ist.

Fotos von oben nach unten:

Die Kuppel.

Der “Ballena Azul” genannte Konzertsaal mit der von einer deutschen Firma hergestellten Orgel.

Der Kirchner-Raum.
(Fotos: Marcus Christoph)

Holocaust-Denkmal fertiggestellt

Einweihung des Monuments der Architekten Gustavo Nielsen und Sebastián Marsiglia steht noch aus

Von Marcus Christoph

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Im Mai 2012 weihte Buenos Aires-Bürgermeister Mauricio Macri die Plaza de la Shoá im Stadtbezirk Palermo ein. In der kleinen Parkanlage, die nahe der Straßen “Bullrich” und “Libertador” liegt, ist in der Zwischenzeit nun auch ein Monument entstanden, das an die Opfer des Holocausts im Besonderen, aber auch an Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Allgemeinen erinnern soll.

Das Mahnmal ist vier Meter hoch und erstreckt sich auf einer Länge von 40 Metern. Es besteht aus 114 Klötzen aus Beton. Die Zahl nimmt Bezug auf die Menschen, die bei den Anschlägen auf die israelische Botschaft 1992 (29 Tote) und das jüdische Gemeindehaus AMIA 1994 (85 Tote) in Buenos Aires getötet wurden. Auf den Quadern sind Gegenstände des täglichen Lebens wie Regenschirme, Duschen, Kaffeekannen, Kochschürzen zu sehen. Dinge, die im Alltag keine besondere Wichtigkeit haben. Aber wenn ein Mensch nicht mehr da ist, kann ihre Präsenz eine besondere Bedeutung gewinnen

Dies jedenfalls ist das Konzept der beiden Architekten Gustavo Nielsen und Sebastián Marsiglia, die sich 2009 bei einer Ausschreibung gegen knapp 70 Mitbewerber durchsetzten. Diese war damals von den Botschaften Israels und Deutschlands, dem hiesigen Shoa-Museum sowie den Regierungen von Stadt und Nation initiiert worden. Die Stadtregierung investierte in der Folgezeit rund 2 Millionen Pesos in die Gestaltung des Parks. Die Nationalregierung stellte 4,4 Millionen Pesos für das Denkmal zur Verfügung. Hinzu kamen auch private Spenden. Die offizielle Einweihung des Monuments steht aber noch aus.

Foto:
Die Plaza de la Shoá im Stadtbezirk Palermo.
(Foto: Marcus Christoph)

Ein Haus voller Geschichte(n)

In der Casa Fernández Blanco wird die einzigartige Puppensammlung der Schwestern Mabel und María Castellano Fotheringham als Dauerausstellung präsentiert

Von Philip Norten

Am 14. Juli 2012 eröffnete das Museo de Arte Hispanoamericano Isaac Fernández Blanco seinen neuen Zweitsitz in der historischen Casa Fernández Blanco (Hipólito Irigoyen 1420), deren Besuch sich gleich doppelt lohnt. Das eklektizistische Gebäude im Stil der Neorenaissance war ursprünglich das Wohnhaus des Kunstsammlers Isaac Fernández Blanco und der erste Sitz des Museums, das noch heute seinen Namen trägt. 1880 errichtet, wurde das Gebäude in unterschiedlichen Etappen immer wieder erweitert, um den Bedürfnissen des Hausherren gerecht zu werden. So u.a. 1901 von Alejandro Christophersen, dem dänischstämmigen Architekten, der beispielsweise für den Palacio San Martín verantwortlich zeichnet. Hervorzuheben sind an dem Gebäude vor allem die reiche Innenausstattung wie z.B. die Holzarbeiten und Glasmalereien, die zum Teil eigens aus Europa importiert wurden.

Die heute etwas abseits erscheinende Lage der Casa Fernández Blanco täuscht dabei den heutigen Besucher: Das Haus ist nur wenige Meter von der Avenida de Mayo entfernt, dem damals neuen Zentrum der Stadt, wo sich die neuesten und besten Restaurants, Theater und Hotels befanden. Schon früh öffnete Fernández Blanco sein Heim zu bestimmten Zeiten der Öffentlichkeit, um seine große Sammlung von Musikinstrumenten und hispanoamerikanischer Kunst zu zeigen. 1922 verkaufte er seine Sammlung für einen symbolischen Betrag an die Stadt Buenos Aires mit der Bedingung, dass das künftige Museum seinen Namen tragen solle. 1943 zog das Museum um und befindet sich heute im Palacio Noel, während die Casa Fernández Blanco lange leerstand und erst in den letzten Jahren von der Stadt gekauft werden konnte, die darauf beschloss, das Haus zu einem Zweitsitz des Museums auszubauen. Nach umfangreichen Restaurierungsmaßnahmen präsentieren sich nun die ersten Räume des Erdgeschosses – wie z.B. das repräsentative Treppenhaus und der Speisesaal – wieder in ihrer ursprünglichen Pracht.

Neben der Architektur zieht eine ganz besondere Sammlung die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich: Unter dem Titel “Había una vez…” wird in den ersten wiedereröffneten Räumen des Museums die einzigartige Puppensammlung der beiden Schwestern Mabel und María Castellano Fotheringham präsentiert. Die traditionelle Einleitungsform für Märchen “Es war einmal…” macht dabei deutlich, dass uns die unglaubliche Vielzahl an historischen Puppen – die in eigens hergestellten Vitrinen sehr liebevoll ausgestellt werden – in eine Welt der Kindheit, Märchen und Träume entführen soll. Die große Vielfalt an Typen und Modellen sowie die liebevolle Gestaltung und handwerkliche Meisterschaft bei deren Herstellung macht dabei auch auf einen gesellschaftlichen Wandel aufmerksam und veränderte Vorstellungen von Spiel, Mode, Geschlechterrollen und Erziehung.

  • Casa Fernández Blanco
  • Hipólito Yrigoyen 1420, Buenos Aires
  • Di-Fr 12-18, Sa und So 11-17 Uhr. feiertags geschlossen
  • Eintritt 2 Pesos, Mi und Do gratis
  • Webseite

Fotos:
Der Speisesaal der Casa Fernández Blanco.

Die historischen Puppen sind in eigens hergestellten Vitrinen ausgestellt.

SEPRA – ein Architekturstudio der Nachkriegsmoderne

Das Edificio República (heute Edificio Telefónica) und der Mercado San Cristóbal als Beispiele für die Arbeit des Büros

Von Philip Norten

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Die aktuelle Debatte über verschärfte Regeln zum Denkmalschutz in Buenos Aires konzentriert sich auf die Architektur des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts. Die moderne Architektur aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg, die sogenannte Nachkriegsmoderne, wird dagegen, ähnlich wie in Europa, immer noch geringgeschätzt und ist häufig von Verfall und Abriss bedroht.

Neben dem kürzlich verstorbenen Clorindo Testa, mit dem SEPRA den Hauptsitz der Banco de Londres entwarf, war das Studio SEPRA verantwortlich für einige wichtige Gebäude aus dieser Zeit. Der Name SEPRA setzt sich aus den Initialen der Architekten Santiago Sánchez Elía, Federico Peralta Ramos und Alfredo Agostini zusammen, die das Studio 1936 gründeten. Während die Bauten und Projekte der Anfangsjahre des Büros noch eher konventionell ausfielen, orientierten sie sich bei ihren Arbeiten ab den 1940er Jahren an den Ideen der internationalen Architekturavantgarde.

Mercado San Cristóbal

Mercado_San_Cristobal_1945Auf dem Grundstück zwischen der Avenida Independencia und der Avenida Entre Ríos befand sich seit dem 19. Jahrhundert eine Markthalle. Das jetzige Gebäude wurde 1945 von SEPRA geplant und ausgeführt. Das Gebäude besteht aus einer einzigen großen Halle mit einem dreiteiligen Gewölbe. Die beeindruckende Konstruktion der Decke wird von Betonelementen getragen, die trotz ihrer Massivität dank ihrer geometrischen Form elegant wirken und den Raumeindruck prägen.

Diese Offenlegung von statischen Bauelementen und deren verstärkte Einbindung in die ästhetische Gestaltung gehörte zu einem der Hauptaspekte der modernen Architektur dieser Zeit.

mercado_interiorAuch an den Wänden des Marktes bleiben die Betonkonstruktionen sichtbar und bilden einen Materialkontrast zu den Ziegeln, die die Räume zwischen den Pfeilern auffüllen. Die Verwendung von Ziegelstein war dabei nicht nur ästhetisch bedingt, sondern hatte auch wirtschaftspolitische Ursachen: In den 1940ern wurden durch den 2. Weltkrieg die Importe von Baumaterialien in Argentinien massiv eingeschränkt und dadurch lokal produzierter Ziegelstein zu einem wichtigen Baumaterial.

Edificio Telefónica

telefonica11Ein weiteres Hauptwerk des Büros in Buenos Aires ist das Edificio República (heute Edificio Telefónica), das heute noch die Avenida Corrientes an der Ecke Maipú dominiert. Es wurde 1951 von SEPRA geplant und bis 1964 fertiggestellt und beherbergte erst die staatliche Telefongesellschaft und heute den spanischen Telefónica-Konzern. Das Gebäude wird von massiven Pfeilern in V-Form getragen, die das Erdgeschoss freihalten und einen großzügigen und repräsentativen Eingangsbereich schaffen. Heute wird dieser Bereich durch eine Glaskonstruktion von der Straße abgetrennt, aber das Konzept der Architekten bleibt erkennbar.

Edificio_RepublicaIm Süden, zur Avenida Corrientes hin, besitzt das Gebäude eine sogenannte Vorhangfassade, die aus Fenstern und Stahlelementen besteht. Da die tragenden Betonstrukturen sich innerhalb des Gebäudes befinden, konnte die Fassade derart leicht und durchlässig gestaltet werden. Da die Architekten nicht auf heutige Klimatechnik – die Glasfassaden auch in Sonnenlagen möglich macht – zurückgreifen konnten, sind die übrigen Fassaden vollkommen anders gestaltet: die Nordfassaden und die beiden Seitenfassaden bestehen aus massiven Betonwänden, die wenigen Fenster sind hier mit Sonnenschutzelementen, sogenannten Brise Soleil, versehen.

In ihrer geometrisch-abstrakten Form und farbigen Gestaltung werden diese zu einem skulpturalen Element und leisten einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der Fassaden. Weiterer Beweis für die Qualität des Gebäudes ist seine Integration in den urbanen Kontext: Zwar prägt das Edificio Telefónica mit seiner Höhe diesen Abschnitt der Avenida, jedoch haben die Architekten auf der Geschosshöhe der Nachbargebäude ein massives Gesims angelegt, das das Gebäude so in sein städtebauliches Umfeld integriert.

Massive Pfeilerstrukturen und Sichtbeton, ein freies Erdgeschoss, die Vorhangfassade, und der Brise Soleil-Sonnenschutz waren Paradigmen des sogenannten “International Style”, der u.a. von Le Corbusier und Architekten des Bauhauses in Deutschland entwickelt worden war. Das erste bedeutende und große Gebäude dieses Stils in Südamerika war übrigens das Edificio Gustavo Capanema in Rio de Janeiro, an dessen Planung u.a. Le Corbusier und Oscar Niemeyer beteiligt waren.

Rosario sepraSEPRA realisierte in diesem Stil u.a. das Rathaus von Córdoba-Stadt aus dem Jahr 1961. Auch das Gebäude der Banco de Londres (heute Banco Patagonia) in Rosario arbeitet mit Elementen dieser Architektursprache und steigert sie, ähnlich wie bei dem Hauptgebäude jener Bank in Buenos Aires, zu einem expressiv-futuristischen Entwurf.

Alle besprochenen Gebäude verwenden massive, geometrische Betonelemente und große, oft sparsam gestaltete, “nackten” Fassaden, weshalb sie oft “brutal” erscheinen und später unter dem Stilbegriff “Brutalismus” zusammengefasst wurden. Mit seiner abstrakten Ästhetik und den harten Materialien wird dieser Architekturstil wohl nie zum Liebling der großen Bevölkerung werden, aber als Beispiele einer Epoche verdienen diese Gebäude unsere Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

Fotos von oben nach unten:

Mercado San Cristóbal.

Mercado San Cristóbal, 1945.

Mercado San Cristóbal, innen.

Edificio Telefónica.

Edificio República an der Corrientes/Maipú.

Banco de Londres (heute Banco Patagonia) in Rosario.

Historisches Baudenkmal in Gefahr

Marcel Breuers “Parador Ariston Café” in Mar del Plata

Von Philip Norten


1947 kam der damals schon bekannte Bauhaus-Architekt Marcel Breuer (1902-1981) auf Einladung der UBA nach Argentinien, um ein achtwöchiges Seminar an der Architekturfakultät zu veranstalten. Breuer war damals schon eine Größe für Architekten aus aller Welt. Aus einer jüdischen Familie stammend und in Pécs (Ungarn) geboren, wechselte er nach wenigen Wochen des Studiums an der Kunstakademie Wien an das damals neugegründete Bauhaus in Weimar. Dort begann er zunächst eine Tischlerlehre. Seine damals geweckte Leidenschaft für das Möbeldesign kann man in seinen ikonischen Möbelentwürfen (z.B. den berühmten Freischwingern und Stahlrohrmöbel) wiedererkennen.

Noch in Weimar wurde Breuer Mitarbeiter in Walter Gropius’ Architekturbüro. Obwohl er nie eine klassische Architektenausbildung erhielt, die am Bauhaus nicht vorgesehen war, wurde er zu einem der berühmtesten Vertreter der Bauhaus-Architektur. 1933 musste Breuer wegen seiner jüdischen Herkunft Deutschland verlassen. Er emigrierte 1937 in die Vereinigten Staaten, wo er gemeinsam mit Walter Gropius die Architekturfakultät der Harvard University aufbaute und auch ein Architekturbüro betrieb. Später gründete er sein eigenes Büro und widmete sich fast ausschließlich der Bautätigkeit. Er starb 1981 in New York.

Während Breuers Aufenthalt in Argentinien entstand zwischen August und September 1947, in Zusammenarbeit mit den argentinischen Architekten Carlos Coire und Eduardo Catalano, das “Parador Ariston Café”. Am Playa Serena an der Provinzstraße Nº 11 nach Miramar gelegen, wurde das Ariston Café als Restaurant, Club und Veranstaltungsort konzipiert. Im Erdgeschoss befanden sich der Empfangsraum, Toiletten und die Küche, und im Obergeschoss der Salon, eine Bar und die Tanzfläche.

Die Umgebung war damals noch nicht bebaut und die einzigartige Kleeblattform des Grundrisses mit dem umlaufenden Fensterband ermöglichte eine ungestörte Aussicht auf Meer und Dünen. Das gesamte Gebäude beruht auf einer Stahlbetonstruktur – ein Charakteristikum der modernen Architektur. Diese ermöglicht es, die tragenden Elemente eines Baus nach Innen zu verlagern und die Fassaden so fast vollständig zu verglasen. So beruht die Struktur des Ariston Cafés auf vier Pfeilern des Erdgeschosses, die nicht nur die umlaufenden Fensterbänder der beiden Geschosse bedingen, sondern es den Architekten auch erlaubten, das Obergeschoss weit hervorkragen zu lassen. Erst so wurde die charakteristische organische Kleeblattform des Gebäudes möglich.

Heute befindet sich das Gebäude in einem schlechten Zustand, da es bereits seit mehreren Jahren leersteht. Grundstück und Gebäude befinden sich weiterhin in Privatbesitz, wodurch die nötige Restaurierung und Wiederbelebung erschwert wird. Seitens von Architekten und Anwohnern gibt es Bemühungen, das Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen. Als Gründe werden nicht nur die internationale Bedeutung Breuers, sondern auch der innovative Einsatz der Baumaterialien, der die charakteristische Kleeblattform des Cafés ermöglicht hat, aufgeführt. Das “Parador Ariston Café” hätte diesen Denkmalstatus wahrlich verdient, denn es ist eine der wenigen Architektur-Ikonen der internationalen Moderne in Argentinien.

Fotos von oben nach unten:

Original und Zustand 2004.

Rundgang “Vanguardias alemanas en Buenos Aires, Palermo”

Führung des Kunsthistorikers und “Kunst in Argentinien”-Mitarbeiters Philip Norten

Unter dem Titel “Vanguardias alemanas en Buenos Aires, Palermo” bietet der Kunsthistoriker Philip Norten am 15. Juni einen Rundgang auf den Spuren der deutschen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Architektur von Buenos Aires. Die Führung konzentriert sich auf den Stadtteil Palermo, wo besonders interessante Beispiele dieser rationalistischen Baukunst zu finden sind. Die Veranstaltung wurde von der Deutschabteilung des “Colegio de Traductores Públicos de la Ciudad de Buenos Aires” organisiert und richtet sich vor allem an Übersetzer aller Sprachen. Bis zum 12. Juni kann man sich bei der E-Mail-Adresse infocomisiones@traductores.org.ar anmelden.

Treffpunkt ist um 15 Uhr die Plaza República de Chile, Ecke Tagle und Av. del Libertador. Der Rundgang (zu Fuß) endet ca. zwei Stunden später am Edificio Palermo (Av. del Libertador Ecke Oro). Kosten: 40 Pesos. Bei starkem Regen wird die Führung abgesagt. Weitere Infos hier.

Außergewöhnlicher Architekt und Künstler

Nachruf Clorindo Testa (1923-2013)

Von Philip Norten

Der berühmte argentinische Architekt und Maler Clorindo Testa ist in der letzten Woche im Alter von 89 Jahren gestorben. In Neapel geboren, kam er schon als Kind mit seiner Familie nach Argentinien. 1948 schloss er sein Architekturstudium an der Universidad de Buenos Aires ab. Nachdem er drei Jahren in Europa mit Reisestipendien verbracht hatte, gewann er früh wichtige Wettbewerbe als Architekt. 1959 setzte er sich mit seinem Entwurf für den Neubau der Banco de Londres im Bankenviertel von Buenos Aires (Reconquista 101) durch. Das markante Gebäude spaltet und provoziert noch heute die Meinungen der Porteños – von Architekten geliebt, ist es von vielen Passanten unverstanden oder gar verachtet.

Geprägt wird das Gebäude, heute Sitz der Banco Hipotecario, durch die demonstrative Zurschaustellung seiner tragenden Betonstrukturen – ein Paradigma der damaligen Architektur. Kennzeichen des sogenannten Brutalismus ist zugleich die skulpturale Ausprägung vieler dieser Betonelemente – so verwendete Testa z.B. die massiven Trägerstützen der Fassade als ästhetisches Element, das, wie früher ein Portikus, die Fassade gliedert. Die Obergeschosse der Bank sind an ebendiesen Trägern aufgehängt, was im Innenraum auch zu sehen ist. Diese Sichtbarmachung und Ästhetisierung der funktionalen Elemente trägt sicherlich zum futuristischen Charakter, typisch für den Zeitgeist dieser Epoche, von Testas Architektur bei. Monumental und repräsentativ, wie für Bankgebäude üblich, respektiert die Banco de Londres aber zugleich die akademizistischen Nachbargebäude, indem es beispielsweise die gemeinsame Traufhöhe beachtet.

Testas Bankgebäude erregte Aufsehen im In- und Ausland, was sicherlich auch dazu beitrug, dass er 1962 den Wettbewerb für den Neubau der Nationalbibliothek gewann. Fertiggestellt wurde das Gebäude aber erst im Jahr 1992. Geprägt wird dieser futuristische Entwurf durch den auf vier massiven Betonstützen ruhenden großen Lesesaal, während sich das Büchermagazin unter der Erde befindet. Durch diese Verlegung des Magazins schaffte Testa einen Freiraum im dichtbebauten Recoleta und provozierte zugleich mit der „Raumschiffästhetik“ der Bibliothek einen Kontrast zum französischen Akademizismus der Nachbargebäude.

Wichtige Gebäude Testas aus den 1970er Jahren waren das Hospital Naval gegenüber dem Parque Centenario, das mit seiner eigentümlichen Schiffsästhetik heraussticht, und der Umbau des Centro Cultural Recoleta. Bei diesem lassen sich gut zwei weitere Charakteristika von Testas Architektur beobachten: der Einsatz von kräftigen, oft kontrastierenden Farben und die häufige Verwendung von geometrischen Elementen wie Kreisen und Vielecken, die er beispielsweise zur Gestaltung von Fenster- und Wandöffnungen heranzog. Mit diesen Entwürfen wurde Testa auch zu einem Vorreiter postmoderner Architektur in Argentinien.

Testa blieb auch im hohen Alter aktiv. Noch im letzten Jahr trat er gemeinsam mit Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner auf, um den neuen Pavillon Argentiniens auf der Architekturbiennale von Venedig vorzustellen. Seine experimentellen und futuristischen Entwürfe wirken heute beispielhaft für eine vergangene Epoche, sind aber durch ihre Qualität zugleich zeitlos. Die argentinische Architektur- und Kunstszene wird Clorindo Testa vermissen.