Die Geschichten der Geschichte

Der lange Weg zur Aufklärung

Von Friedbert W. Böhm

Der Mensch ist ein reichlich unvollkommenes Wesen. Er ist nicht besonders kräftig, hat keine natürlichen Waffen, sieht schlechter als die Katze, riecht schlechter als der Hund, hört schlechter als der Fuchs; jeder Hase läuft ihm davon. Weder besitzt er ein Radar wie die Fledermaus, noch einen Elektrizitätsdetektor wie der Hai, noch kann er, wie der Zitteraal, elektrische Schläge austeilen. Etwas höhere oder tiefere Töne als die seines eigenen Geschreis kann er nicht vernehmen, geschweige denn ultraviolettes Licht sehen oder Röntgenstrahlen fühlen.

Dafür hat ihn die Entwicklung mit einem etwas leistungsfähigeren Großhirn als andere Tiere ausgestattet und mit einem Kehlkopf, der ihm erlaubt, sich mit auditiven Signalen gegenseitig besser als jene zu verständigen. Bei der Interpretation seiner Umwelt ist er so nicht mehr allein auf seine eigenen Wahrnehmungen angewiesen. Er kann Erfahrungen austauschen. Fremde Erfahrungen sind Wahrnehmungen aus zweiter Hand. Der Mensch weiß, dass diese nicht unbedingt Wahrheiten zu sein brauchen. Wie alle Lebewesen ist der Mensch jedoch geneigt, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Ernimmt gern fremde Erfahrungen als Wahrheiten an, wenn sie ihn eigenen mühsamen Nachdenkens entheben und ihm wohlige Ruhe und Sicherheit versprechen. Deshalb liebt der Mensch Geschichten.

Sein Großhirn zwingt den Menschen, für alle Vorkommnisse, vor allem die ihn betreffenden, eine Erklärung zu suchen. Im Gegensatz zu anderen Tieren (das wissen wir nicht so genau, aber wir nehmen es an) ist der Mensch befähigt, in seine Erklärungsmodelle auch Vergangenheit und Zukunft einzubeziehen. Was heute unwahrscheinlich oder unangenehm ist, kann früher oder später Tatsache oder erfreulich gewesen sein oder werden. Dies macht manche Geschichten so attraktiv.

Als wir noch Mammuts jagten, gab es wenige Vorkommnisse, die uns mehr Furcht einjagten als ein Gewitter. Der Platzregen konnte unsere Wohnstatt mit Kindern und Vorräten unter Wasser setzen, aber viel bedrohlicher waren der Blitz – er hatte schon mal jemanden erschlagen – und der darauf folgende, alle sonst bekannten Geräusche übertönende,Donner. Wir hatten keine Ahnung, wie der furchterregende Donner entstand. Da wir, die wir selber ständig Dinge schufen – Faustkeile, Schlafunterlagen, Höhlenzeichnungen, wütendes Gebrüll – uns nicht vorstellen konnten, dass es etwas gäbe, das nicht geschaffen worden wäre, schien es uns eingängig, einen Schöpfer als Urheber des Donners anzunehmen. Zweifelsohne musste dieser sehr mächtig sein. Wer konnte ausschließen, dass er nicht noch hinter vielen anderen Vorkommnissen, Erscheinungen, Dingen stand? Es war wohl tunlich, gut mit ihm zu stehen. Vielleicht ließ er sich durch Wohlverhalten und Opfer zur Milde stimmen. Wir waren begierig, Geschichten über die Herkunft des Donners zu hören und zu glauben.

Es gab zahlreiche solcher Geschichten. Überall im indogermanischen Raum, von den Tataren bis zu den Germanen, thronte im oder über dem Götterhimmel einer, der, wenn ihm etwas missfiel, mit harten Gegenständen die Erde bombardierte und es so donnern ließ. Bei Zeus und Jupiter waren es Keulen, beim vedischen Indra Felsbrocken und bei unserem Thor oder Donar war es der Hammer. Wir gedenken des Letzteren heute noch durch den Namen eines Wochentags, obwohl seine Geschichte weitgehend in Vergessenheit geraten ist.

Allerdings werden Geschichten eher aktualisiert als vergessen. Da ist etwa die von Gilgamesch, einem zum König gewordenen Halbgott, der vor beinahe fünf Jahrtausenden die Sumerer regiert haben soll und dessen Geschichte unzähligen mesopotamischen Generationen erzählt wurde. Dort ist die Rede von einer Sintflut, der die Menschen entgingen, weil ihr Gott sie gewarnt und ihnen den Bau einer Arche befohlen hatte. Brave Mesopotamier landeten damals nach dem Tod im „Land der Seligen“, dem Paradies.

Der Kern dieser Geschichte wird heute noch von Milliarden Menschen geglaubt. Sie wanderte nämlich – einer anderen Geschichte zufolge – vor etwa dreitausend Jahren mit einem gewissen Abram oder Abraham von Ur in Chaldä über die heutige Türkei nach Palästina. Diesem Abraham, der mit Hundert einen Sohn gezeugt und dann noch fünfunddreißig Jahre gelebt haben soll, hatte sein Gott eine Nachkommenschaft so zahlreich wie die Sandkörner am Meer angekündigt. Um ihn und seine Kindeskinder rankte sich die erweiterte Geschichte eines auserwählten Volkes. Es bereitete Mühe, dieses Volk bei der Stange von Abrahams Geschichte zu halten, da es ab und zu in die Fremde vertrieben wurde und immer wieder Gefahr lief, die Geschichten anderer Völker zu glauben.

Eine Zeitlang etwa lebte es in Ägypten. Manche behaupten, es sei gerade in der Regierungszeit des Pharaos Echnaton gewesen, der just mit seinem Gott Aton den Monotheismus eingeleitet hatte. Da traf Echnatons Geschichte mit der von Abraham erneuerten und erweiterten Gilgameschs auf glückliche Weise zusammen. Nach langem, mühsamem Marsch und einer dank Moses’ Gesetzestafeln glücklich widerstandenen letzten Versuchung durch das Goldene Kalb kehrte Abrahams Volk schließlich nach Palästina zurück. Dort pflegte es seine Geschichte der Auserwähltheit durch einen einzigen Gott Jahrhunderte hindurch trotz neuer Vertreibungen und ständiger Anfeindungen seitens der Nachbarn.

Wenn die Lebensumstände sich ändern, kann jedoch die beste Geschichte schal werden. Irgendwann wurde das auserwählte Volk von einem überaus mächtigen Imperium besetzt, dem Macht und Rechtsordnung wichtiger waren als alle Geschichten. Sklaven waren in jener Ordnung keine Menschen, sondern Dinge. Dies widersprach jedem Anschein sowie dem Interesse der Ärmeren im auserwählten Volk. Eine neue Idee gewann Verfechter und Anhänger: Sollte es nicht erfreulich und gerecht sein, als Mensch anerkannt zu werden, möglicherweise selbst unter Aufgabe des Privilegs, einem auserwählten Volk anzugehören? Einer der Sektierer, Sohn Gottes, wie er sagte, versprach, die Güte seines Vaters Allen zukommen zu lassen, nicht nur den Auserwählten. Seine neue Geschichte wurde natürlich nicht akzeptiert von den Verfechtern der alten, weshalb er am Kreuz endete.

Seine Geschichte aber überlebte. Nicht in seinem Volk, das kurz darauf in alle Welt verstreut wurde und dennoch seine eigene, frühere Geschichte beharrlich verteidigte. Im Imperium jedoch, das voll von rechtlosen Sklaven war, und darüber hinaus, trat seine Geschichte (welche die des Echnaton, des Abraham und des Gilgamesch beinhaltete) einen kaum glaublichen Siegeszug an. In einem halben Jahrtausend verwandelte sie sich in eine unwidersprechbare Weltsicht für den größten Teil der westlichen Welt.

Solche von vielen Millionen der unterschiedlichsten Kulturen geteilten Megageschichten unterliegen natürlich ständigen Abweichungen. Die Araber etwa, als Abrahams Abkömmlinge Vettern des auserwählten Volkes, hatten wenig gegen dessen und Echnatons (oder Moses’) Teil der Megageschichte einzuwenden. Als potente Miterben des Römischen Imperiums benötigten sie jedoch eine Rechtfertigung für ihre Eroberungen, eine eigene Geschichte. Diese wiederum teilte sich nach dem Tod des Propheten in zwei, dann mehrere Untergeschichten und eine kaum übersehbare Zahl von Interpretationen. Alle scheinen überzeugte, manche sogar fanatische Gläubige gefunden zu haben.

Der im nichtarabischen Raum der westlichen Welt verbliebene Teil der Megageschichte teilte sich ebenfalls, schon vor Verfall des Imperiums, in eine östliche und eine westliche Version, über deren jeweilige Geschichten weidlich gestritten werden musste. Im westlichen Teil war dann einige Jahrhunderte relative Ruhe. Als dort dann aber zunehmend Missbehagen entstand über gewisse autoritäre Verhaltensweisen der Obrigkeit, die zu sehr an Praktiken des antiken Imperiums erinnerten, protestierte ein Teil der Gläubigen und ersann neue Geschichten, die unter allerhand Blutvergießen verbreitet wurden. Bei den Protestanten gibt es heute in manchen Gegenden eine eigene Geschichte für beinahe jede Kapelle.

In der Renaissance erinnerte man sich wieder an die Antike. Hervorgekramt wurden nicht nur alte Mosaiken und Skulpturen, sondern auch die Geschichten der Philosophen. Bei Aristoteles entdeckte man unter Anderem, dass er die Spinnenbeine falsch gezählt hatte (8 statt 6), aber auch, und vor allem, dass Geschichten durch wissenschaftliche Forschung wesentlich glaubwürdiger gemacht werden konnten. Forschen bedeutet hingucken, nachdenken und beweisen.

Auf diese Weise entdeckte Kepler, dass Ptolomäus’ Geschichte von der Erde als Mittelpunkt des Weltalls mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte. Galilei bestätigte dies per Fernrohr. Ab Descartes und Newton explodierten die Naturwissenschaften. Kant, Lessing, Adam Smith, Ricardo und andere versuchten, auch menschliches Verhalten wissenschaftlich begreifbar und damit steuerbar zu machen. Darwin begründete eine Verwirklichung der Schöpfungsgeschichte, die wohl selbst nach Entschlüsselung des menschlichen Genoms noch nicht abgeschlossen ist.

Das Zeitalter der Aufklärung drohte damit, die alten Geschichten endlich ad acta zu legen. Das war aber nicht im Sinne der Erzähler und Wahrer jener Geschichten. Und auch nicht im Sinne von uns Menschen, weil wir uns ja lieber etwas Genehmes, Beruhigendes erzählen lassen als genau hinzugucken und nachzudenken. So kann es eigentlich nicht erstaunen, dass die alten Geschichten fröhlich weiterlebten. Was sich geändert hatte, war, dass sie sich jetzt gern mit einem wissenschaftlichen Firnis umgaben.

Die Industrialisierung hatte, vornehmlich in England, die Gesellschaft umgekrempelt. Der Überschuss an zweiten und weiteren Söhnen in Landwirtschaft, Adel und Militär arbeitete nun unter mäßigen bis miserablen Bedingungen in den Fabriken und Kontoren relativ weniger reicher Industrieller. Da die alten Geschichten nicht ausreichten, das Missbehagen hierüber ganz zu beschwichtigen, entstand eine neue. Die des Neuen Menschen, der seinen Eigennutz endlich vergessen und der Gesellschaft nur so viel, wie er brauchte, abverlangen, ihr jedoch alles, was er konnte, geben würde.

Diese Geschichte begeisterte einen großen Teil der Menschheit. Sie stürzte zwei östliche Imperien, kostete unzähligen Millionen Menschen das Leben und verursachte einen jahrzehntelangen Kalten Krieg. Viele halten sie unverändert für das Nonplusultra der politischen Weisheit.

Etwa gleichzeitig mit jener, und ebenfalls auf angeblich wissenschaftlichem Fundament, fand eine Erzählung immer zahlreichere Anhänger, welche verschiedene Wertigkeiten der Menschen postulierte. Je heller, desto wertvoller, hieß die Aussage. Diese Geschichte schlug ein ganzes Volk, auch einige Nachbarn, in ihren Bann und löste den größten und grausamsten Krieg der Weltgeschichte aus mit wiederum zig Millionen Toten. Allerdings reichte dies bei Manchen nicht aus, die Geschichte aus dem Hinterkopf zu verbannen.

Immerhin scheinen vernünftig begründete Argumente sich schließlich mehr und mehr durchzusetzen. Angesichts Rohstoffverknappung, Verschmutzung von Erde, Wasser und Luft sowie des Ozonlochs und Klimawandels – sicht-, greif- und fühlbare Wirklichkeiten, die keiner Geschichte bedürfen – scheint der Mensch in der Aufklärung ankommen zu wollen.

Er muss sich jetzt nur noch der letzten Geschichte entledigen, der am Meisten geliebten und am Tiefsten verankerten. Sie ist womöglich noch älter als die des Gilgamesch.

Der Geschichte des unbegrenzten Wachstums.

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Als wir noch Mammuts jagten, stellten wir uns vor, dass ein mächtiger Schöpfer Urheber des Donners sein müsste.

Ausstellungen zu Ehren Anne Franks

Fotos, Briefe und Dokumente erinnern an die Verfasserin des berühmten Tagebuchs

Von Susanne Franz

Im März 1945 wurde das jüdische Mädchen Anne Frank im Alter von 15 Jahren im KZ Bergen-Belsen von den Nationalsozialisten ermordet. Am 12. Juni diesen Jahres hätte sie 84 Jahre alt werden können. Das Kulturministerium der Stadt Buenos Aires organisierte zu diesem Anlass zwei Ausstellungen im Untergeschoss der Casa de la Cultura (Av. de Mayo 575), die bei freiem Eintritt vom 13.6. bis zum 30.7. besucht werden können. Das Anne Frank-Haus in Amsterdam und die “Casa Ana Frank” in Buenos Aires waren an der Verwirklichung des Projekts beteiligt. Zu sehen sind Reproduktionen historischer Fotos, Briefe und Dokumente. Öffnungszeiten sind dienstags bis sonntags von 14 bis 19 Uhr. An den Feiertagen 20.6., 21.6. und 9.7. bleiben die Ausstellungen geschlossen.

Posse um Kolumbus-Denkmal

Widerstand gegen Abtransportpläne der Nationalregierung

Von Marcus Christoph

Es ist eine veritable Politposse, die sich gegenwärtig hinter dem Regierungspalast “Casa Rosada” in Buenos Aires abspielt. Die nationale Regierung ist fest entschlossen, das dort seit 92 Jahren stehende Kolumbus-Denkmal abzumontieren und es durch eine Statue zu Ehren der Freiheitskämpferin Juana Azurduy zu ersetzen. Die Stadtregierung ist strikt dagegen – genauso wie die hiesige italienische Gemeinschaft, die das Denkmal 1921 zu Ehren des aus Genua stammenden Seefahrers und Amerika-Entdeckers gestiftet hatte.

Zu einer ersten Zuspitzung kam es am 31. Mai, als Bauarbeiter im Auftrag der Nationalregierung anfangen wollten, das Denkmal für den Transport zu seinem neuen Bestimmungsort in Mar del Plata vorzubereiten. Städtische Funktionäre, Abgeordnete sowie Mitglieder von Nachbarschaftsinitiativen und italienischer Gemeinschaft versuchten, dies zu verhindern, und stießen mit den Sicherheitsleuten des Präsidentenpalastes zusammen.

“Wir wurden vom Militärpersonal der Casa Rosada übel behandelt und gewaltsam vertrieben”, beklagte sich Diego Santilli, der städtische Minister für öffentliche Räume. Er bezeichnete den Umzugsplan für das Denkmal als “Laune” von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Zudem vertrat Santilli die Position, das Monument sei Eigentum der Stadt. Die Nationalregierung habe somit kein Recht, einseitig die Umsetzung anzuordnen.

Die Stadtregierung ist stattdessen der Meinung, dass ein solcher Schritt durch das städtische Parlament legitimiert sein müsste. Auch verwies sie darauf, dass das Grundstück, auf dem das Denkmal steht, ihr gehöre. Die Stadt wandte sich in letzter Minute an die Justiz, die durch einstweilige Verfügung die Abbauarbeiten stoppte. Die Entscheidung fällte Richterin Claudia Rodríguez Vidal, die bereits vor drei Jahren die Kirchner-Regierung verärgert hatte. Damals stoppte sie eine Notverordnung der Präsidentin zum Einsatz von Geldmitteln der Zentralbank zum Schuldendienst.

Am 3. Juni, dem Tag des italienischen Einwanderers, organisierte die italienische Gemeinschaft eine Demonstration zum Erhalt des Denkmals. Am Folgetag schaltete sich auch der italienische Botschafter in Buenos Aires, Guido La Tella, in den Konflikt ein. Der Diplomat ersuchte um ein Treffen mit Präsidentin Kirchner, um diese zu bitten, von dem geplanten Abtransport des Denkmals abzusehen.

Der Streit erfolgt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo in Buenos Aires das Kulturprogramm Italienischer Sommer stattfindet und zahlreiche kulturelle Darbietungen von der Apenninenhalbinsel in der Stadt zu sehen sind.

Die Nationalregierung zeigte sich von den Protesten indes unbeeindruckt. So erklärte Präsidialamtsleiter Oscar Parrilli, dass man weiter an dem Plan festhalte, das Monument nach Mar del Plata zu verfrachten. Dort soll es auf dem Platz vor dem Hotel Provincial aufgestellt werden, wo bereits ein anderes Kolumbus-Denkmal steht.

Hinter der Casa Rosada will man statt des Entdeckers aus Europa lieber der Freiheitskämpferin Juana Azurduy gedenken. Die aus Sucre im heutigen Bolivien stammende Frau kämpfte an der Seite General San Martíns für die Unabhängigkeit der La-Plata-Provinzen von Spanien. Die bolivianische Regierung von Evo Morales unterstützt den Denkmalneubau mit einer Million US-Dollar. Parrilli wertete das Verhalten der Stadt als “Aktion gegen die Nationalregierung”. Auch sei es Anfang des vorigen Jahrhunderts nationales Recht gewesen, das die juristische Grundlage für den Denkmalbau gegeben habe.

Foto:
Am Kolumbus-Denkmal scheiden sich derzeit die Geister.
(Foto: Richie Diesterheft)

Rundgang “Vanguardias alemanas en Buenos Aires, Palermo”

Führung des Kunsthistorikers und “Kunst in Argentinien”-Mitarbeiters Philip Norten

Unter dem Titel “Vanguardias alemanas en Buenos Aires, Palermo” bietet der Kunsthistoriker Philip Norten am 15. Juni einen Rundgang auf den Spuren der deutschen Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Architektur von Buenos Aires. Die Führung konzentriert sich auf den Stadtteil Palermo, wo besonders interessante Beispiele dieser rationalistischen Baukunst zu finden sind. Die Veranstaltung wurde von der Deutschabteilung des “Colegio de Traductores Públicos de la Ciudad de Buenos Aires” organisiert und richtet sich vor allem an Übersetzer aller Sprachen. Bis zum 12. Juni kann man sich bei der E-Mail-Adresse infocomisiones@traductores.org.ar anmelden.

Treffpunkt ist um 15 Uhr die Plaza República de Chile, Ecke Tagle und Av. del Libertador. Der Rundgang (zu Fuß) endet ca. zwei Stunden später am Edificio Palermo (Av. del Libertador Ecke Oro). Kosten: 40 Pesos. Bei starkem Regen wird die Führung abgesagt. Weitere Infos hier.

Neue Wege, neue Antworten

Neue Online-Kulturzeitschrift “Parte Dos”

Von Susanne Franz

Pünktlich zum “Día del periodista” – dem Tag des Journalisten – am gestrigen Freitag, dem 7. Juni 2013, haben Eduardo Villar und Mercedes Pérez Bergliaffa eine neue Kulturzeitschrift herausgebracht. Die Online-Publikation, die wöchentlich erscheinen soll, heißt “Parte Dos” – Teil Zwei.

Warum “es immer einen zweiten Teil gibt”, verraten die beiden in folgendem Statement:

“… weil nie alles schon gesagt ist.

… weil nicht alles schon erfunden wurde.

… weil man alles infrage stellen kann.

… weil das Leben allein nicht ausreicht und erst die Kunst neuen Sinn und neue Wahrheiten erschafft.

… weil wir uns neue Fragen stellen und neue Arten finden müssen, darauf zu antworten.

… weil es neue Wege gibt – und wenn nicht, man sie bauen muss.

… weil die Kunst eine andere Form des Nachdenkens ermöglicht und zu neuen Erkenntnissen führt.

… weil es nie nur eine Erklärung gibt.”

Bei Facebook haben schon fast 200 Nutzer ihr Wohlgefallen geäußert. Wir freuen uns auf viele weitere Teile!

Kalender / Agenda

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Ausstellungskalender 08/06/2013-15/06/2013

Von Susanne Franz

Seit dem heutigen Samstag, 8. Juni, zeigt die argentinische Künstlerin Verónica Gómez im Museo Sívori in Buenos Aires ihr Projekt “Servicio de Retratos de Mascotas” (Service für Haustier-Porträts).

Verónica Gómez startete dieses ungewöhnliche und höchst originelle Unternehmen im Dezember 2009. Es handelt sich dabei um die ästhetische und soziologische Erforschung der Welt der Tiere – speziell der Haustiere (obwohl Verónica auch historische Tiere wie z.B. Lonesome George porträtiert hat).

Was die Künstlerin besonders an den Haustieren interessiert, ist die unbestimmbare Grenze zwischen dem Zähmbaren und dem Unzähmbaren – und die ganz spezielle Beziehung, die die Menschen zu ihren Haustieren haben. Deshalb sind in ihren Porträts immer auch persönliche Objekte der Haustierbesitzer enthalten.

So entstehen Erzählwelten voller Einfühlsamkeit, oft auch mit einem humoristischen, aber immer liebevollen Blick, die weit über ein “fotografisches Porträt” hinausgehen. Der Anfertigung der Bilder, die Verónica auf Bestellung malt, gehen immer persönliche Begegnungen mit den Haustieren und ihren Besitzern voraus.

In der Exposition (die man bis zum 7. Juli besuchen kann) kommen neben den 30 ausgestellten Gemälden auch diese wichtigen Aspekte des Projektes zur Geltung. So ist etwa ein “Atelier der Haustier-Porträtistin” nachgebildet, und es werden einige Videos der Interviews gezeigt.

Die Ausstellungen der Woche:

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Agenda / Kalender

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Agenda de Muestras 08/06/2013-15/06/2013

Por Susanne Franz

A partir de hoy, sábado, 8 de junio, la artista argentina Verónica Gómez presenta en el Museo Sívori, en Buenos Aires, su proyecto “Servicio de Retratos de Mascotas” (SRM).

Se trata de un proyecto en curso iniciado en diciembre de 2009 – una exploración estética y sociológica del mundo animal, específicamente el animal doméstico y los límites imprecisos de lo domesticable. Con un fuerte componente narrativo, el SRM ahonda en el vínculo entre el ser humano y el animal desde una mirada humorística y cariñosa hacia lo insólito.

La exposición se desarrollará en tres núcleos: una selección de retratos compuesta por más de 30 pinturas –producidas a partir del encuentro entre la artista, el dueño de la mascota y el animal– que han pasado a integrar la constelación privada de objetos familiares de quienes contrataron; una instalación (el Gabinete de la Retratista de Mascotas) y una serie de videos con entrevistas a los tutores de las mascotas.

Las muestras de la semana:

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Talente finden und strahlen lassen

“Paper Scissors Rock” in Palermo – eine Ausstellung der anderen Art

Von Jana Münkel


Wenn man auf eine Vernissage geht, erwartet man eigentlich beanzugte Menschen, helles Kunstlicht und eine förmliche Atmosphäre. Es werden Reden gehalten und der Champagner darf auch nicht fehlen. Überraschend anders aber ist die Eröffnung der Ausstellung “Paper Scissors Rock”. Die Adresse wird erst nach der Anmeldung bekanntgegeben, eingelassen werden die Besucher nach dem Klingeln durch ein unscheinbares Tor in Palermo. Beim Eintreten wartet eine ganz besondere Mischung aus Ausstellungs- und Loungeatmosphäre.

Nach einem kurzen Treppensteigen, vorbei am rot-schwarzen, antiken Aufzug, wartet das geschmackvoll eingerichtete “Clubhouse” auf mehreren offenen Ebenen. Die Kunstwerke an den Wänden wirken, als gehörten sie zu diesem Ort, sie fügen sich großartig ein. Sitzgelegenheiten, gedämpftes Licht und elektronische, unaufdringliche Musik schaffen eine Stimmung, die zum Verweilen einlädt. Draußen im Garten glitzert ein Pool, und wenn es nicht ein kühler Spätsommerabend wäre, würde sich eine kleine Erfrischung sogar anbieten. Vernissagebesuch mit Schwimmgelegenheit, warum nicht?

Ausgedacht hat sich dieses Konzept eine außergewöhnliche Kuratorin. Mareike Müller steht mit einem Rosé inmitten der überwiegend jungen Gäste, unterhält sich hier auf Deutsch, dort auf Spanisch und switcht dann wiederum in Sekundenschnelle zum Englischen. Die junge Frau mit dem Pagenschnitt ist in Berlin geboren und aufgewachsen und interessiert sich schon seit sie denken kann für moderne und zeitgenössische Kunst. Nachdem sie nach einiger Zeit in der Design- und Werbeindustrie das Angebot bekam, als Ausstellungsorganisatorin in Schweden zu arbeiten, ergriff sie die Gelegenheit beim Schopf und machte ihre Leidenschaft zum Beruf.

Doch hier war ihre Reise noch nicht zu Ende: Sie wollte endlich etwas Eigenes auf die Beine stellen, brach kurzerhand alle Zelte in Europa ab und zog nach Buenos Aires, um sich selbstständig zu machen. Dabei vertraut sie auf ihr gutes Näschen für vielversprechende zeitgenössische Kunst. Ganz schön mutig. Ob sie Bedenken hatte? “Klar, man zweifelt immer. Aber wenn man Dinge nicht ausprobiert, können sie auch nicht klappen. Think big!”, erzählt sie und man merkt, dass sie das nicht einfach nur dahersagt, weil es gut klingt, sondern wirklich so meint.

Ihr Projekt hat sie “The eclectic tomorrow” genannt, was soviel wie “die eklektische Zukunft” bedeutet. “Da draußen wartet außergewöhnliches Talent – Die Mission besteht darin, es zu finden, es zu unterstützen und strahlen zu lassen”, so beschreibt Mareike Müller die Philosophie ihrer Idee auf der Website, die an sich bereits zeigt, dass da ein kreativer Profi am Werk ist. Und dass sie genau dafür ein tolles Händchen hat, beweist ihre erste alleine organisierte Ausstellung “Paper Scissors Rock”, die mit einer bunten Mischung aus Fotografien, figürlichen und abstrakten Kunstwerken sowie Streetart von europäischen und lateinamerikanischen Künstlern daherkommt. Das klingt zunächst chaotisch, so wirkt es aber nicht im Geringsten. Genau dieses eklektische “Aufeinanderprallen” ist ja das Ziel, erzählt die junge Unternehmerin, die nebenher auch einen Kunstblog führt – und das Clubhouse mit seinem gedämpften Licht ist der perfekte Ort dafür. Sie entdeckte ihn durch Zufall bei einem Besuch und fragte spontan, ob sie ihre Ausstellung hier machen könne. Die Managerin, eine Belgierin, war begeistert.

Mareike strahlt, wenn sie ihr Werk von der Terrasse aus bewundert und ist ganz aufgekratzt: “Es sind so viele Leute gekommen!” Dabei ist es ihr außerordentlich wichtig, eben keine förmliche, grell erleuchtete Ausstellung zu präsentieren, sondern etwas Neues, Alternatives zu wagen. “Art is fun” kann man auf ihrer Website lesen und Mareike Müller bestätigt das: “Ich möchte, dass die Leute Spaß haben!” Als DJs legen Freunde von ihr auf, auch unter den “Eclectics”, ihren Künstlern, sind gute Bekannte.

Warum es sie gerade nach Buenos Aires verschlagen hat? Hier habe man noch die Möglichkeit, wirklich neue Talente zu entdecken. Die Kunstszene hier sei noch “erforschbar”, das gefalle ihr. Auch die kulturübergreifende Arbeit ist ihr wichtig, sie sieht sich als eine Art Botschafterin zwischen Europa und Lateinamerika. Ihr nächstes Projekt ist schon in Arbeit, ein befreundeter Künstler aus Europa wird dazu nach Buenos Aires kommen. Es ist beeindruckend, wie Mareike Müller einfach macht, wovon andere träumen – und ganz nebenbei auch noch das Image von Vernissagen angenehm entstaubt.

Die Ausstellung “Paper Scissors Rock” kann noch bis Mitte August besichtigt werden. Anmeldung und Terminvereinbarung per Mail: contact@eclectictomorrow.com oder info@clubhouseba.com.

Fotos von oben nach unten:
Künstlerische Lounge-Atmosphäre.
(Foto: Vanessa Diaz)

Mareike Müller, junge Kuratorin mit Ausstrahlung.
(Foto: privat)

“Der Gorilla” der Jodorowskys

Gastspiel aus Frankreich im Teatro Sarmiento

Von Susanne Franz

Vom 6. bis 30. Juni wird im Teatro Sarmiento (Sarmiento 2715, Buenos Aires) in spanischer Sprache die französische Produktion “El gorila” von Alejandro und Brontis Jodorowsky gezeigt. Das von Vater Alejandro inszenierte und von Sohn Brontis gespielte Werk basiert auf Franz Kafkas “Ein Bericht für eine Akademie” über die Menschwerdung des Affen Rotpeter. Der chilenisch-französische Kultregisseur Alejandro Jodorowsky geht in dem 2009 in Brüssel uraufgeführten Stück noch über Kafkas satirische Kritik am Assimilierungsprozess des Affen hinaus. Für den in Mexiko geborenen Brontis Jodorowsky ist es die dritte gemeinsame Theaterarbeit mit seinem Vater. Vorstellungen sind mittwochs bis samstags um 21 Uhr, sonntags um 20 Uhr. Der Eintritt kostet 60, mittwochs 40 Pesos.

Im Leopoldo Lugones-Saal des San Martín-Theaters läuft vom 12. bis 14. Juni begleitend der Filmzyklus “Jodorowsky x 3”. Auf dem Programm steht u.a. der Kultfilm “El topo” von 1970, in dem Brontis Jodorowsky als Sechsjähriger sein Debüt als Schauspieler gab.

Informationen hier.

Italienischer Sommer in Buenos Aires

“Verano Italiano” – Kulturgenüsse der Apennin-Halbinsel

Von Susanne Franz

Seit dem 1. Juni und bis zum 5. Juli veranstaltet das Kultursekretariat der Stadt Buenos Aires gemeinsam mit der Italienischen Botschaft ein Kulturprogramm sondergleichen. Im Rahmen des “Verano Italiano” werden über 40 Opern, Theaterstücke, Konzerte, Kunst- und Design-Ausstellungen, Kinovorführungen und Gastronomie-Events angeboten – die meisten bei freiem Eintritt. Die Kultur der wichtigsten ausländischen Gemeinschaft Argentiniens wird dabei von hochkarätigen Gästen dargeboten, darunter Uto Ughi, Odino Faccia, Eugenio Bennato, Franco Battiato, Piero Mottola, Francesca Tulli und Bruno Ceccobelli.

Veranstaltungsorte sind u.a. die Usina del Arte (Av. Pedro de Mendoza 501), das Teatro Coliseo (M.T. de Alvear 1125), der Leopoldo Lugones-Saal des San Martín-Theaters (Av. Corrientes 1530), das Museo de Arte Moderno de Buenos Aires (Av. San Juan 350), die Galerie AMA Artemercadoarte (Venezuela 458), das Istituto Italiano di Cultura, M.T. de Alvear 1119 und öffentliche Plätze. Infos hier.

Kalender / Agenda

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Ausstellungskalender 01/06/2013-08/06/2013

Von Susanne Franz

Am morgigen Sonntag, dem 2. Juni, um 19 Uhr, wird im Museo de Arte Moderno de Buenos Aires (Museum für Zeitgenössische Kunst, MAMba, San Juan 350) die Ausstellung “Grupo Mondongo, 2009-2013” eröffnet. Die argentinische Künstlergruppe von Weltruf präsentiert u.a. großformatige Landschaften und Porträts.

“Manchmal begegnen uns Landschaften oder Personen, die uns spüren lassen, dass wir wirklich sind”, zitiert der Kurator der Ausstellung Kevin Power den Dichter William Bronk. Und dabei wüssten wir doch gleichzeitig, dass wir “nichts und niemand” seien. Laut Powers Text zur Ausstellung hat Mondongo “mit dieser unvergleichlichen Serie von Landschaften ohne Zweifel den Kernpunkt dieses Wirklich-Werdens getroffen. Der Ort ist gleichermaßen ein real existierender und ein innerer Raum (…). Man könnte sagen, dass diese Bilder eine unmittelbare Selbst-Erfahrung darstellen.”

Nicht nur Mondongo feiert morgen im MAMba Eröffnung, sondern es werden auch eine Retrospektive des Designers Ronald Shakespear und Schauen von Florencia Rodríguez Giles, Alfio Demestre, Santiago Gasquet und Luis Rodríguez sowie des italienischen Klangkünstlers Piero Mottola eingeweiht.

Die Ausstellungen der Woche:

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